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Der überaus vornehme Friseur.

Er hatte einen wohlgepflegten Vollbart und sah aus wie Herr Sudermann.

Er trug immer einen schwarzen Gehrock mit großen Seidenrevers und lange, schmale Lackstiefel.

Er war der erste Friseur der Stadt. Vor seiner Tür hatte er mehrere goldene Wappenschilder mit Keulenmännern, die ein Zeichen dafür waren, daß er schon erlauchte Bartstoppeln beseitigen durfte. Auch besaß er eine Brillantbusennadel: die Initialen des regierenden Fürsten mit der Krone darüber. Mancher höhere Staatsbeamte beneidete ihn um dieses Zeichen allerhöchsten Wohlwollens.

Es gehörte zum guten Ton, sich bei ihm behandeln zu lassen.

In jeder Stadt gibt es sogenannte „First-Class-Geschäfte“, die ihren Ruf meist ohne eigenes Verdienst, durch die Suggestion der Tradition zu wahren wissen.

Da haben wir das Herrenmodengeschäft, sprich: „lätest fäschen“, den Schneider, sprich: „täler“, den Schuster, sprich: „buuts“, bei welchem sich der Kavalier, der etwas auf sich hält, zu bedienen hat.

Die exklusive, zurückhaltende Tendenz derartiger Standard-Läden künden schon die Schaufenster.

Liegt in einer großen Auslage aus poliertem Mahagoni lediglich ein zusammengeknülltes Seidentuch, ein Hosenträger, ein seidener Strumpf und eine Glasflasche

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/095&oldid=- (Version vom 1.8.2018)