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es ihm zu viel wurde und seine Frau gerade nicht im Zimmer war, sehr vorsichtig mit der geballten Faust auf den Tisch und sagte bestimmt, aber sehr leise, daß er es leid wäre und daß er der Herr im Hause wäre. Heute beim Frühstück wäre das Graubrot trocken gewesen, und er würde in jeder Richtung, in jeder Richtung gründliche Remedur schaffen.

Und die alte Tante Hülsenkuff mit dem Holzbein und dem großen Kropf, die bei Benders das Gnadenbrot genoß, und auf welche das Wort „Remedur“ einen enormen Eindruck machte, bat zitternd Vater Bender, nicht zu weit zu gehen, und außerdem höre sie seine liebe Gattin kommen.

Dann dämpfte Rizinus schleunigst seinen Zorn und machte die Wutfaust schön flach und ergeben.

Wenn er schon in friedlichen, normalen Zeiten nicht recht wagte, den Ansichten und dem Tun seiner Gattin wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, wie viel weniger hätte er daran gedacht, gegen die gigantische Unerbittlichkeit des Hausputzkollers irgendwelche Front zu machen. Das war ein starres Verhängnis, dem er als absolut hilfloser Zwerg gegenüberstand.

In banger Erwartung sah er alljährlich dem Nahen des Frühlings entgegen. Wie ein Damoklesschwert hing der Gedanke an den großen Hausputz über seiner Seele.

Der arme Mensch wurde von Tag zu Tag sichtlich unruhiger; er irrte durch die Wohnung. Keine Pfeife, keine Zigarre wollte ihm mehr schmecken. Bis dann mit dem ersten abgehangenen Bild und den leeren, gardinenlosen Fenstern der Schrecken des Hausputzes seinen Einzug hielt in sein friedliches Heim.

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/044&oldid=- (Version vom 18.8.2016)