Die Mutter weinte und sagte, sie könne ihm keinen anderen Kaffee vorsetzen. Sie habe getan, was sie tun könnte. Den besten Kaffee genommen, der in der Stadt zu haben wäre, zwei Mark achtzig das Pfund. Dreiviertel Lot habe sie auf eine Tasse genommen. Er liebe sie nicht mehr, er solle es ihr doch gleich ins Gesicht sagen.
Diese leidige Kaffeegeschichte drohte das Eheglück der Eltern ernstlich zu gefährden.
Der Vater war sehr cholerischer Natur. Eines Tages hatte er im Zorn die gefüllte Tasse, dazu noch die feine Tasse mit der Aufschrift „Dem Hausherrn“ gegen die Wand geworfen und geschworen, von nun ab seinen Kaffee im Kaffeehause zu trinken.
Die Mutter wollte zuerst ins Wasser gehen.
Übermorgen war der Geburtstag des Vaters. Das war der rechte Tag zur Ausführung dieses Entschlusses. Dann würde man sie tot aus dem Wasser ziehen und die Leiche dem Vater ins Haus bringen, und er würde jetzt einsehen, was er verloren und wie unrecht er ihr stets getan habe. Zu spät, zu spät, würde er aufstöhnen und sich über sie werfen.
Die Tränen liefen ihr über die Backen, als sie sich das alles so vorstellte.
Es sollte anders kommen.
Die Mutter hatte einmal ein Bild gesehen: „Die Lebensmüde“, eine Frau, ganz in schwarz gekleidet mit einem Spitzentuch um den Kopf, die im Begriff stand, von einer Brücke in den Fluß zu springen.
Ganz in schwarz, ja, so wollte sie auch sterben, mit einem Spitzentuch um den Kopf. So hatte sie auch im Theater die Rebekka West gesehen. Das gab dem Tod etwas Tragisches.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/034&oldid=- (Version vom 18.8.2016)