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Preißelbeeren, den meine Wirtin auf meinem Kleiderschrank aufzubewahren pflegte, fiel herab.

„Hier dein Rock – deine Schuhe – deine Weste – schnell, schnell!“

Meine Füße waren angeschwollen. Die kaum erkalteten Lackschuhe zu eng geworden. Ich zerrte und zerrte, der Hosenträger platzte.

„Töte mich, Theobald,“ heulte ich, „oder sage mir wenigstens, was du mit mir vorhast.“

Die gymnastischen Anstrengungen, in die Schuhe zu schlüpfen, waren endlich von Erfolg gekrönt. Ich konnte nur auf den Fußspitzen auftreten. Es war fürchterlich. Das Blut stieg mir zu Kopf. Wasser lief mir im Mund zusammen. Es wurde mir schlecht. Die letzte Pulle Moët, der Ausklang einer gewaltigen Serie dieses leichtsinnigen Saftes, kam an den Tag.

Tränend, schluchzend, pustend ächzte ich: „Töte mich, Theobald.“

Ich sank in einen Sessel, auf welchem mein steifer Hut lag. – Unerbittlich hielt mir Theobald meinen Rock hin.

„Anziehen, anziehen! Es muß sein! Es muß sein!!“

Ganz willenlos ließ ich Theobald meine Garderobe vervollständigen. Er stülpte mir den eingesessenen Filz auf, nahm mich unter dem Arm und schleppte mich die Treppe hinab auf die Straße, wo eine Droschke wartete.

Ein naßkalter Novembertag –

Theobald und der Kutscher bauten mich im Rücksitz auf. Ich vergrub meinen todwunden Kopf in die Ecke und schlief ein. – Ein kalter Luftzug weckte mich auf. Das Fenster war heruntergefallen. Theobald zog

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/024&oldid=- (Version vom 17.8.2016)