schwarzen Brille, durch die seine Augen sie wie glühendes Mineral mit grünen Blicken stachen. Er sprang mit mächtigem Satz in das nebenliegende Nichtraucherabteil.
Ermattet, aber befreit warf sie sich in die Polster. Hier konnte ihr nichts mehr geschehen. Ein Molekül von Hoffen ward ihr. Aber plötzlich fiel ihr Blick auf die unverriegelte Tür des Waschraums zwischen ihrem Abteil und dem Nichtraucherabteil. Ein Sprung, ein Schrei und den Riegel vorgeschoben!
Gleichzeitig ein Klopfen, ein Tasten am Griff von innen. Das Klopfen wurde stärker. Schwere Tritte und Stöße drohten die Tür zu sprengen. Eine Spalte entstand, die Tür würde weichen und sie dem gräßlichen Wüterich mit der Brille in die Hände fallen. Starren Blicks, wie gelähmt, hing sie an der Tür des Waschraums, der ihr Verderben barg. Was tun? Hinausspringen aus dem fahrenden Zug? Hals- und Beinbruch würden die Folge sein.
Ihr irr suchender Blick fiel plötzlich auf einen Hebel an der Wand. Notbremse! gellte es in ihr. Ihre Augen weiteten sich. Notbremse! Immer schwerere Tritte an der Tür, die im nächsten Augenblick zersplittern mußte. Blitzschnell flog ihr die Gewißheit durch die Seele, daß es etwas Schlimmes, Entsetzliches sei, von ewigem Fluch belastet, die Notbremse zu ziehen. Sie fürchtete dieses unverständliche Gesetz von Jugend auf. Ein Schreckbild dünkte ihr dieser geheimnisvolle Hebel. Lieber aber die furchtbare Folge der tollkühnen Berührung der Notbremse, als diesem grauenhaften Vampyr in die Fänge fallen und einen qualvollen Tod finden.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/158&oldid=- (Version vom 1.8.2018)