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andere solcher nichtigen Miszellen genügen, nervöse Evolutionen hervorzurufen.

Die Opernsängerin Briendöpke war an dem Theater einer mittleren Provinzstadt engagiert. Der Direktor der Oper der benachbarten Residenzstadt hatte ein Auge auf sie geworfen und schlug ihr eines Tages ein Engagementsgastspiel an seiner Bühne vor. Sie sollte die Brünhilde singen. Ein Ereignis für sie, welches natürlich eine außergewöhnliche nervöse Spannung bei ihr zur Folge hatte. Es konnte ihr passieren, daß sie an einem Fuß einen gelben Halbschuh und am anderen einen schwarzen Lackstiefel anhatte, wenn sie ausging.

Tag und Nacht übte sie ihre Rolle bei offenem Fenster. Fünfmal bekam sie ein Protokoll à 5 Mark wegen ruhestörenden Lärms auf die Anzeige der Nachbarn bei der Polizei hin.

So kam der Tag vor dem Gastspiel. Sie war unruhiger und konfuser als je. Sie goß sich Tinte statt Rum in den Tee, bestrich den Toast aus Versehen nicht mit Butter, sondern aus der Gesichtscremebüchse. Dabei sang sie Passagen aus der Brünhilde, daß die Hunde in der Nachbarschaft heulten.

Sie mußte um sieben Uhr spätestens in der Oper in der Residenzstadt sein. Es bedurfte einer halbstündigen Straßenbahnfahrt, um aus dem Villenvorort zum Bahnhof zu kommen. Die Diva war nach einer schlaflosen Nacht schon um fünf Uhr in der Früh auf den Beinen und lief hastig in ihrer Wohnung auf und ab. Sie versuchte die Stimme. Erst nach dem Verschlucken von zehn rohen Eiern und fünf Schachteln Caruso-Pillen

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Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/154&oldid=- (Version vom 1.8.2018)