„So, mein Lieber, jetzt ist der Federhalter schreibbereit, gefüllt und in Ordnung. So, ich stecke ihn dir in die obere Tasche deiner weißen Weste. Schmeiß deine Tintenfässer und deine Taschenbleistifte, die immer abbrechen oder einen in der Tasche stechen, in die Müllkiste. Du hast jetzt das unentbehrlichste Requisit des modernen Schriftstellers und Journalisten. Stets schreibbereit.“ Er klopfte mir dabei auf die Schulter und schüttelte mir zum Abschied die Hand. Er ging, um sich mit Bimsstein, Schmirgel, schwarzer Seife und einer Wurzelbürste zu versehen. Er wollte nicht Neger bleiben.
Ich mußte mich bei meinem Onkel bedanken. Der erste Brief mit dem Fountain Pen geschrieben! Schon war Tinte durchgesickert in die Tasche. Es bildete sich ein großer Flecken. Der Halter triefte von Tinte. Ich putzte ihn an der Gardine ab und setzte mich an meinen Schreibtisch. So, jetzt mit Schwung die Überschrift: Lieber Onkel! Anstatt einer deutlichen Schrift, wurde es nur ein Gekratze auf dem Papier. Die Feder blieb trocken. Es lief keine Tinte. Dafür tropfte mir aber aus dem anderen Ende des Halters Tinte in den Ärmel. Ich schüttelte den Halter, erreichte aber nur, daß überall Tinte herausspritzte, nur an der Feder nicht. Na, wird schon mal kommen. Die Tinte muß sich setzen. Ich putzte den Halter wieder an der Gardine ab. Ich zog eine neue Weste an und steckte ihn in die obere Westentasche. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß so eine Feder erst mal eingeschrieben und die Mechanik richtig erkannt werden muß.
Ich hatte mich lange nicht im Kaffeehause am Stammtisch sehen lassen. Da mußte doch der eine oder andere
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/148&oldid=- (Version vom 1.8.2018)