Tellern, der Tisch mit weißem köstlichen Linnen überzogen.
Mit Wohlgefallen und Stolz schauten die Eltern auf ihr Kind, das eine Schnitte nach der anderen mit einer außergewöhnlichen Schnelligkeit verschwinden ließ.
Nachdem Lillichen noch ungefähr die ganze Zervelatwurst gegessen hatte, wurde sie auf einmal ernst und nachdenklich. Das lustige Lachen schwand von ihren Zügen. Ihre Augen verschleierten sich, nur ab und zu schaute sie mit einem Blick starker Sehnsucht zum Park hinüber.
„Weißt du, wer morgen kommt?“ mischte sich die Gräfin, der die plötzliche, merkwürdige Veränderung nicht entgangen war, in das Sinnen ihrer Tochter.
Ja, Mutterauge sieht scharf, sieht verdammt scharf!
Lilli fuhr, wie aus einem Traum geweckt, empor: „Was, wer soll kommen?“ fragte sie apathisch.
„Graf Bodo, Graf Bodo!“ schrieen die Eltern auf sie ein mit einer Begeisterung, die man bei einem Hoch aufzuwenden pflegt.
„Warum sagt ihr das so laut?“ Lillis große, runde Augen starrten verwundert die Eltern an.
„Weil dieser Besuch seine Bedeutung, eine ganz enorme Bedeutung hat. In diesem Besuch liegt dein Glück, deine Zukunft,“ deklamierten Vater und Mutter.
„Was aber hat mein Glück mit dem Grafen Bodo zu tun?“ meinte Lilli.
„Wir, deine treusorgenden Eltern, haben Graf Bodo, Sproß eines uralten Geschlechtes, dir zum Gatten ausgewählt. Du wirst nächsten Dienstag achtzehn Jahre. Nach dem Felsenhorstschen Hausgesetz müssen die Töchter
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/063&oldid=- (Version vom 1.8.2018)