„Nun, Johann, was hat Er?“ rief der Graf einem alten, klapperigen Mann in grüner Livree, der langsam herangehumpelt kam, entgegen. Es war Johann, das alte Faktotum des Hauses. Bereits unter dem Vater des jetzigen Grafen diente er im Schloß. Er hatte Graf Eberhard als Kind auf den Knien geschaukelt, ihm Pfeilbogen und Weidenpfeifen geschnitzt. Er war mit dem Schlosse so verwachsen wie der alte Efeustock an der Westseite des Turmes.
Er brachte auf einer silbernen Platte, die das Wappen der Felsenhorst trug, einen Brief.
Gespannt schaute die Gräfin zu ihrem Gatten hinüber und wetzte erwartungsvoll auf ihrem Sitz hin und her.
„Graf Bodo will uns morgen besuchen,“ löste Graf Eberhard die Erwartung seiner Gattin.
„Graf Bodo!“ wiederholte die Gräfin freudig erregt. „O Gott, mein liebstes Goldlillichen, was würde ich mich freuen, wenn das etwas würde mit dem Grafen!“
„Du denkst an eine Heirat? Topp, das ist ein guter Gedanke!“ Der Graf klatschte mit den flachen Händen auf seine Beine. „Graf Bodo ist, wie mir Baron Fettfleck von Deutz damals in Baden-Baden versicherte, von sehr altem Adel. Das genügt mir!“ Der Graf trat an die Gräfin heran und schlug ihr vor Freude über den gefaßten Plan mit der geballten Faust auf die Achsel, daß es krachte. „Topp, topp, das wird gemacht!“ schrie er laut.
„Du Lieber, Guter,“ stöhnte Gräfin Hildegard, die durch den Schlag tief in den Lehnstuhl hineingetrieben worden war.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/061&oldid=- (Version vom 1.8.2018)