und die Obhut über die Patienten dem Assistenzarzt anvertraute. Dieser war eine Zeitlang in der gleichen Weise wie Onkel Bogumil und viele Insassen des Sanatoriums dem Trunke ergeben gewesen. Seine Passion war auch alter Rheinwein gewesen. Er war dann in dem Sanatorium gründlich von dem Laster entwöhnt worden, so daß der Professor nicht zögerte, ihn als Assistenzarzt in seine Dienste zu stellen. Er baute felsenfest auf seinen neuen Assistenten.
Am Abend nach der Ankunft des Sauerbrunnens hörte man aus der Stube von Onkel Bogumil ungewohntes Gröhlen, dazwischen Gläserklingen. Der Assistenzarzt machte sich auf, pflichtgemäß zum Rechten zu sehen. Schon im Korridor witterte der feine Weinkenner in ihm den Duft alten kostbaren Rheinweines. Er schnalzte vor Begier mit der Zunge. Aus Onkel Bogumils Zimmer kam dieser Duft. Er vergaß alle seine starken Prinzipien der Enthaltsamkeit. Mit der lechzenden Sehnsucht eines Verdurstenden in der Wüste stürzte er in Bogumils Stube. Lautes Gebrüll empfing ihn. Eine Korona entwöhnter und halbentwöhnter Insassen des Sanatoriums hatte, wie den Arzt, der magnetische Duft des alten Rheinweins in das Zimmer Onkel Bogumils gelockt. Eine Flasche Sauerbrunnen nach der andern entstieg der Kiste. Schon bedeckten unzählige leere Flaschen den Boden. Kurz entschlossen riß der Assistenzarzt den mit einem duftenden gelbbraunen Etwas gefüllten Humpen an sich. Dieser Sauerbrunnen war eine fabelhafte Rüdesheimer Auslese 1868. Der Freund hatte die Bogumilsche Bestellung richtig aufgefaßt.
Der tägliche Bedarf stieg ins Ungeheuere. Neue Sendungen trafen täglich ein. Alle Insassen lagen im Banne
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/041&oldid=- (Version vom 1.8.2018)