Ich, der ich doch viel schöner war als er, wurde fast gar nicht beachtet, so große Mühe ich mir auch gab. Ich wechselte geradezu beängstigend häufig meine Krawatte, sorgte peinlich dafür, daß die Strümpfe in der Farbe zur Krawatte stimmten, band die Schnürbänder an den Halbschuhen zu höchst graziösen Schleifen.
Ich versuchte als angenehmer Gesellschafter zu glänzen, indem ich Kartenkunststücke machte, launige Schnurren erzählte, eine gedachte Zahl zu raten versuchte, auf einem mit Seidenpapier überzogenen Kamm trompetete, mir die Haare ins Gesicht strich und schwermütige Lieder sang. Ich bot mich an, Garn zu halten oder Ableger von Geranien zu besorgen. Alles umsonst. Es gelang mir nicht, diesen Toni Bender auszustechen.
Ich beschloß, ihn mit einer gewissen Kälte zu behandeln.
Eines Tages erfuhr ich vom wackeren Turmwirt die Ursache von Tonis Erfolgen.
Er hatte es verstanden, sich ein unerhörtes Ansehen zu geben und so nebenbei verlauten lassen, er werde dafür sorgen, daß Caub wieder eine Attraktion in einem einwandfreien Elslein von Caub erhalte.
Das hatte sich bei den ehrgeizigen Backfischen herumgesprochen.
Jetzt ging mir ein Licht auf.
Er hatte eine Schwäche für eine gemütliche, altertümliche Schenke, in der ein braunlockiges Mädel den Wein kredenzte.
Eine ausgeschlissene Steintreppe führte in die braungetäfelte Gaststube.
Wenn Toni Bender sagte, er habe eine wichtige Besorgung zu machen, fand ich ihn stets hier bei der braunen
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/027&oldid=- (Version vom 1.8.2018)