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Photographien durchaus nicht unsittlich ist, und von verschiedenen Seiten wurde der Wunsch ausgesprochen, daß das Volk sich an den Anblick des unbekleideten, gesunden menschlichen Körpers mehr gewöhne. Das ist auch meine Ansicht; durch die Prüderie vergangener Jahrhunderte haben wir es verlernt, die Schönheit des menschlichen Körpers rein ästhetisch anzuschauen.

Nur hierdurch ist das im Jahrgang I der Werkstatt der Kunst mitgeteilte Urteil begreiflich, welches die Ehescheidung gegen eine Frau ausspricht, die aus Not, um ihr Leben zu fristen, nicht einmal einem Künstler, sondern in einer Akademie Modell stand!

Grober Unfug.

Nach § 360, Nr. 11 des Strafgesetzbuchs wird mit Geldstrafe oder Haft bestraft, wer groben Unfug verübt. Ein solcher liegt vor, wenn die öffentliche Ordnung gestört, also das Publikum gefährdet oder belästigt und in seiner Anschauung gekränkt wird usw. Bei der vagen Natur dieses Begriffes gab es eine Zeit, wo Anklagebehörden gerne den allzeit willigen Gaul des Unfugsparagraphen tummelten, und damals entstand der Witz: Was man nicht definieren kann, sieht man als groben Unfug an. Heute ist der Gaul viel vernünftiger geworden, aber immer noch kann er mit Erfolg gegen Schriftsteller und besonders bildende Künstler geschirrt werden, die der Polizei anstößige oder aufsehenerregende Darstellungen bringen.

So wurden in dem Seite 582 und 646, Jahrgang II der Werkstatt der Kunst besprochenen Falle die Inhaber eines Witzblattes wegen groben Unfugs bestraft, der in der Darstellung zweier menschlicher Gesäße und dem darunter befindlichen Text über Gesandtenerziehung gefunden wurde.

E. Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen.

Auch mit Verwaltungsbehörden kann der Künstler in Konflikt kommen, wenn sie ihm die öffentliche Ausstellung ihr anstößig erscheinender Bilder, oder wie es im vergangenen Jahre in Charlottenburg geschah, für Damen und Herren gemeinschaftliche Uebungen im Aktzeichnen verbieten wollen.

Es sei daher kurz folgendes über das Verwaltungsverfahren gesagt:

Dasselbe ist nicht einheitlich für ganz Deutschland geregelt, sondern unterliegt der Landesgesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten.

In Preußen kann die Polizeibehörde nach dem Gesetz über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung polizeiliche Verfügungen erlassen und durch Anwendung von Zwangsmitteln (Exekutivstrafen und körperlichen Zwang) durchsetzen. Gegen diese polizeilichen Verfügungen gibt es nach den §§ 127, 128 des Landverwaltungsgesetzes zwei Wege.