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Belsazar: Ein Gott der Rache? Ein elender Gott also! (er steht auf und geht die zwei Stufen hinunter, bleibt vor Rahel stehen) Soll ich dir von unsern Göttern erzählen? Willst du hören von Baal und Astarte? Es sind Götter der Liebe – soll ich dir erzählen, Rahel? Soll ich dir erzählen von den Gärten der Liebe, darin Baal thront und tausend Freuden denen gibt, die ihm dienen? Möchtest du werden eine Priesterin der Astarte? Weißt du, wie süß die Liebe ist und wie voll Wonne der Taumel der Sinne? – Sieh mich an, Rahel, soll ich dir erzählen von der Liebe, soll ich dich lehren, wie man dient Baal und Baaltis, unsern Göttern? – Ich werde ein guter Lehrer sein, Rahel, denn ich weilte lange in den Gärten der Liebe! – Du wirst eine Göttin sein in meinen Armen, Rahel, wir werden selber sein wie Baal und Astarte... meine Liebe soll dich erwärmen wie die Sonne und du wirst nach ihr begehren, wie du begehrst nach dem Licht der Sonne... (eindringlich) Sieh mich an, Rahel... (er will ihre Hände fassen)

Rahel (heftig): Berühre mich nicht! Deine Hände sind unheilig, und deine Götter sind Götzen, die Gott der Herr vernichten wird, wie alles, was nicht in seinem Namen lebt! Berühre mich nicht!

Belsazar (tritt etwas zurück): Wie voll Eifer deine Worte sind! Aber der Zorn ist schön in deinem Angesicht, und selten ist ein Weib schön, wenn es zornig ist! Deine Haare sind wie die Strahlen der Sonne, und deine Augen glänzen wie die Augen Astartes... Du gefällst mir wohl, Rahel...

Rahel weicht zurück und wendet sich stumm ab.

Belsazar: Dein Gewand ist so weiß wie die Blüten der Lilie... Ist dein Herz so rein wie dein Gewand, Rahel?

Rahel schweigt.

Belsazar: Rahel... du schweigst? Sprich, wem gehört deine Liebe?!

Rahel: Ich liebe niemand!

Belsazar: Vermagst du in meine Augen zu schauen und zu sagen: du liebst niemand?

Rahel schweigt.

Belsazar: Also lügst du? Dein Mund sprach eine Lüge?

Rahel (flammend): Was kümmerst es dich, wen ich liebe? Mit welchem Recht fragst du mich! – Und wenn der, den ich liebe, mir fernsteht wie die Sonne, was kümmert es dich? Und wenn er nicht weiß, daß ich ihn liebe, was fragst du mich? Und wenn ich gering vor ihm bin wie ein Staubkorn unter seinen Füßen, was kümmert es dann dich, ob ich ihn liebe?

Belsazar: Aber ich will deine Liebe für mich, Rahel.

Rahel: Ich habe keine Liebe für dich!

Belsazar: Ich will dein Herz für mich, Rahel!

Rahel: Mein Herz gehört meinem Gott!

Belsazar: Und ich begehre es für mich, schöne Jüdin! Es verlangt mich nach deinen roten Lippen... Ich will, daß du mich küssest, Rahel!

Rahel (empört): Rufe deine Tänzerinnen, wenn du küssen willst!

Belsazar (macht eine heftige Bewegung, beherrscht sich aber. Mit erhobener Stimme): Ein König wirbt um deine Liebe, stolze Jüdin! Ein König!

Rahel: Ein König? Ja! Aber ein Sohn des Verruchten, der uns fortführte in dieses verfluchte Land!

Belsazar (schmeichelnd): Dieses Land soll deine Heimat werden... Seine Blumen und seine Früchte sollen für dich wachsen... sein Volk soll dir untertan sein... und du sollst den Thron mit mir teilen. ... Purpur soll deine weißen Schultern umschließen und meine Weiber sollen dir dienen als deine Sklavinnen! Eine Königin sollst du sein, wenn du mir deine Liebe gibst!

Empfohlene Zitierweise:
Hennie Raché (1876–1906): Belsazar. Drama in 1 Akt.. , 1904, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hennie_Rach%C3%A9_Belsazar_135.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)