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Die Alten hatten auch schon davon mancherlei Begriffe. Sie beteten das Glük als eine blinde, mächtige und unerbittliche Göttin an. Sie errichteten ihr Ehrensäulen. Sie sezten ihr den Polarstern auf das Haupt, und gaben ihr in die linke Hand das Horn des Ueberflusses. Homer besingt sie als Ozeans Tochter, in deren Schoos Zeus an der Juno Brust gesäugt worden. Pindar rechnet sie zu den Parzen, und Euripides nennt sie die Beherrscherin aller vergänglichen Dinge.

Noch mannigfaltiger waren die Sinnbilder der Griechen. Bald eigneten sie ihr einen geflügelten Liebesgott zur Gesellschaft zu, bald legten sie den Plutus oder den Gott des Reichthums an ihre Mutterbrust. Auch gaben sie ihr in die rechte Hand ein flammendes Feuer und in die linke ein Gefäs mit Wasser. Die Römer fragten sie als ein Orakel um Rath und verewigten sie durch Denkmähler und Münzen. Bald ward sie mit verbundenen Augen auf einen Wagen, den blinde Pferde ziehen musten, vorgestellt; bald in der Gestalt eines greisen bärtigen Mannes mit einem Steuerruder; bald wie eine ehrwürdige Matrone mit Amaltheens Fruchthorn. Entweder bezeichnete man dadurch ihre grenzenlose willkürliche Macht, oder ihre auszuteilenden Schäze. Das einstimmige Bild aber war das Sinnbild des Unbestandes: –

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Heinrich Nudow: Ideen über Glük und Glükseligkeit. Kaiserliche Buchdrukerey, St. Petersburg 1788, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heinrich_Nudow_%E2%80%93_Ideen_%C3%BCber_Gl%C3%BCk_und_Gl%C3%BCkseligkeit.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)