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Selbstkentnis, Weltklugheit, Geselligkeit, Wisbegierde und auf eigne Rechtschaffenheit sich stüzende Hoffnung und frohe Aussicht in die Zukunft, – dieses sind die einzelnen seligen Zweige der Menschenweisheit und Liebe. Der grössere Menschenteil freilich schäzt Glükseligkeit mehr nach ihrer Lebhaftigkeit als nach ihrer Dauer, und zieht daher dieselbe Quantität von Vergnügen in wenige Augenblike konzentrirt, einer gleich grossen, aber durch einen längern Zeitraum verteilten Summe vor. Allein je mehr Menschen denken, und je weiser sie denken und gedacht haben, desto bessere Rechenmeister des Vergnügens werden sie, und vergleichen Vergnügungen nicht blos der Lebhaftigkeit, sondern auch der Dauer nach. Alle Menschen wollen zwar glüklicher seyn, aber die wenigsten vollkommner. – Daher gibt es denn auch wohl mehr Freunde vom Glük, weit weniger vom Verdienste anderer. Daher werden auch wohl die meisten Güter in der Welt mit grösserer Lebhaftigkeit erjagt, als genossen. Also ohne genaue Erkenntnis und Erprüfung dessen, was angenehm und lebhaft nicht nur, sondern auch dauerhaft vergnügt; ohne kluge Auswahl der besten Mittel, einen gewissen Endzweck zu erreichen, ohne Begränzung und Mässigung seiner Leidenschaften, ohne Studium der Nazion und des Zirkels von Menschen, unter denen wir leben, ist keine Vervollkomnung,

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Heinrich Nudow: Ideen über Glük und Glükseligkeit. Kaiserliche Buchdrukerey, St. Petersburg 1788, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heinrich_Nudow_%E2%80%93_Ideen_%C3%BCber_Gl%C3%BCk_und_Gl%C3%BCkseligkeit.djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)