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die Seelen der Heiligen, nachdem sie von der Sünde gereinigt sind. Gleichwohl muß man ihnen nicht die Allwissenheit zuschreiben (welche eine göttliche Eigenschaft ist, die keiner Creatur zusteht, 1 Könige 8, 39.: „Du allein kennest das Herz aller Kinder der Menschen“), als wüßten die Heiligen im Himmel Alles, was die Menschen auf Erden thun und leiden, auch ihr Gebet höreten, als sollten sie Alles erfahren durch das Anschauen des göttlichen Wesens, in dem sie, wie in einem Spiegel, Alles sehen können.

 893. Aber kein Mensch kann wissen noch erfahren, was von dem Spiegel des göttlichen Wesens vorgegeben wird, es bleibt also bis zum Beweis ein nichtiges Gedichte. Auch haben wir keinen Bericht davon, daß die Heiligen der Menschen besonderes Anliegen, Werk und Leiden wissen. Daß sie es nicht wissen, bezeugt Jesaias 64, 16. klar: „Bist du (Herr) doch unser Vater, denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennet uns nicht,“ und insgemein wird von Todten gesagt: „Sie wissen nichts,“ Pred. Sal. 9, 5. und Hiob 14, 21. sind „seine (des Verstorbenen) Kinder in Ehren, das weiß er nicht, oder ob sie geringe sind, des wird er nicht gewahr.“

 894. e) Ihre Werke. Darüber entstehen zwei Fragen:

 Eine, ob die Seelen der Verstorbenen müßig seien, oder etwas thun und verrichten? Man kann nicht sagen, daß sie müßig seien, weil ihre Werke namhaft gemacht werden, als der Auserwählten: sie loben Gott, wie unter dem Bilde der