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blauen Augen. Es zieht eine stille Thräne über die schöne Wange, eine stumme Perle der Wehmuth. Sie ist zwar Wolfgang Goethes Gretchen, aber sie hat den ganzen Friedrich Schiller gelesen, und sie ist viel mehr sentimental als naiv, und viel mehr schwer idealisch als leicht graziös. Vielleicht ist sie zu treu und zu ernsthaft, um graziös seyn zu können, denn die Grazie besteht in der Bewegung. Dabey hat sie etwas so Verläßliches, so Solides, so Reeles, wie ein baarer Louisd’or, den man noch in der Tasche hat. Mit einem Wort, sie ist ein deutsches Mädchen, und wenn man ihr tief hineinschaut in die melancholischen Veilchen, so denkt man an Deutschland, an duftige Lindenbäume, an Hölty’s Gedichte, an den steinernen Roland vor dem Rathhaus, an den alten Conrektor, an seine rosige Nichte, an das Forsthaus mit den Hirschgeweihen, an schlechten Taback und gute Gesellen, an Großmutters Kirchhofgeschichten, an treuherzige Nachtwächter, an Freundschaft, an erste Liebe,

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Heinrich Heine: Der Salon. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Der_Salon_1.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)