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es hat mich tief bewegt. Könnte ich noch wie vormals etwas für Sie sein, Ihnen leben helfen, Sie hätten Recht, meiner Energie zu vertrauen. Und doch weiß ich nicht, ob nicht auch ich der Schatten meiner selbst nur noch bin: man verschwindet sich selber so unter der Hand. Ich schicke Ihnen vielleicht meinen Sohn, der durch Berlin durchreisen wird: er ist schön, blühend, zart wie eine Sensitive, ein steter Gegenstand der Sorge und Unruhe. Leider sind Sie wohl sicher davor, mich im Fluge durchreisen zu sehen. Das kann ich eben alles gar nicht mehr: nur die äußerste Schonung und Ruhe erhält mich am Leben. –

Ist es wahr, daß Sie meinem Mann versprochen haben, nächsten Sommer auf längere Zeit zu uns zu kommen?

Ueber alle anderen Gegenstände Ihres Briefes schreibe ich das Nächstemal. Der Ton, in welchem Sie mir schreiben, ist so erhebend, so großartig, von einer Höhe herab, wo alles Kleinliche, Persönliche so ganz verschwindet. Dies zu fühlen, darin liegt doch wieder ein hoher poetischer Genuß. Mit Tränen danke ich Ihnen.

Adieu
Ihre
Ida Lüttichau.


VIII b[1]
(Aus einem Briefe an Tieck vom 26. [?] September 1849.)

Daß eben Sie, der Sie wie Sie sagen immer nur in Leidenschaft gedacht und alles erlebt haben, sich in dieser Verdunkelung eines Daseins, das nicht mehr durchleuchtet wird durch die Glut jenes liebendsten Wesens, völlig schattenhaft und gespenstisch vorkommen müssen, ist nur die Consequenz Ihres innersten Lebens; auch ist diese Thatsache und Wahrheit durch keine frühere Wahrheit zu bestreiten. Nur erscheint mir solches Dasein nicht eben darum wesenloser, sondern symbolischer, und wenn ich auch vollkommen verstehe, wie es gemeint ist, wenn Sie sagen, das höhere Alter bringe weder jene oft gepriesene Weisheit noch jene sichere Ruhe mit sich, die wir uns auf solcher Höhe träumen, so ist doch nicht zu leugnen, es weht von dort eine vergeistigte Luft uns an, und je mehr die eigentliche Existenz Boden verliert, um so mystischer, geheimnißvoller, wird die Erscheinung: es ist dies der heilige Hain, in den sich Oedipus verliert und sich und andern gleichsam entschwindet und metamorphosirt. Je einfacher, schweigender, demüthiger diese Transsubstantion, je poetischer erscheint sie mir, und diese poetische Weihe durfte Ihnen nicht fehlen, wenn sie auch durch einen ungeheuern Schmerz erkauft ist. Uebrigens ist jeder Trost nur ein Schein, wo der Jammer eine Realität ist, und


  1. Das von Carus (Lebenserinnerungen III 295–296) mitgeteilte Bruchstück eines Briefes der Frau von Lüttichau muß ein Teil des von ihr gegen Ende ihres vorhergehenden Briefes angekündigten Antwortschreibens auf Tiecks schwermütigen Brief vom 9. September 1849 sein. Denn im Eingang desselben streift sie mitfühlend die beweglichen Klagen des Dichters über die schattenhafte Verdunkelung seines Daseins, wie über das Fehlen der vom höheren Alter erhofften Weisheit, sicheren Ruhe und Leidenschaftslosigkeit. Weiterhin aber ist sie auch ernsthaft bemüht, von sich aus, wie es ihre Art ist, eine befreiende, für den Freund tröstliche Lösung zu finden.