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Aber auf der anderen Seite versichert er ihr auch 1826 bereits, wieviel er ihrem Umgang und ihren Gesprächen verdanke, wie jedes Beisammensein mit ihr ihn klüger mache. Tieck war eben im Gegensatz zu August Wilhelm Schlegel eine dialogische Natur, und Frau von Lüttichau besaß die beneidenswerte Gabe, von anderen ausgesprochene Gedanken ihrerseits mit feinem Verständnis weiterzuführen und auf diese Weise neu sich ergebende zu wecken, wie Tieck es in einem Gespräche mit Loebell in die Worte kleidet[1]: „Wenn Sie diese Frau näher kennenlernen werden, werden Sie sehen, daß sie einen kühnen Gedanken, den Sie aussprechen, durch einen noch kühneren fortsetzt oder erwidert; das wird Sie zu fruchtbarer Geistesarbeit nöthigen.“ Sorge macht ihm nur der wenig günstige Gesundheitszustand der Freundin, den selbst ein Carus, der sie seit Oktober 1839 dauernd ärztlich beriet[2], nur vorübergehend zu bessern vermochte.

Die Briefe 3 bis 13 schrieb Tieck der Freundin in den Jahren 1844–1853 aus Berlin und Potsdam, wohin er, von Preußens König Friedrich Wilhelm IV. unter den ehrenvollsten Zusicherungen berufen, am 15. September 1842 übergesiedelt war.

Mitbestimmend für den Dichter, Dresden zu verlassen, waren die schweren Kränkungen und Verleumdungen, die er 22 Jahre lang in immer gesteigertem Maße namentlich von seiten des tonangebenden Führers des Dresdener Liederkreises Karl Gottfried Theodor Winkler, bekannt unter dem Decknamen Theodor Hell, erfahren hatte. Wir entnehmen das, worauf mich der Dresdener Literarhistoriker Friedrich Kummer in dankenswerter Weise hinwies, einem von Hermann Anders Krüger in seinem Buche Pseudoromantik (S. 205 f.) veröffentlichten Briefe, den Tieck wenige Wochen vor seiner Übersiedelung am 27. August 1842 von Potsdam aus an Herrn von Lüttichau richtete. Dort heißt es: „Ich habe in Dresden auch vom Hofe viel Gutes genossen, aber auch viele schmerzliche Erfahrungen gemacht und – warum sollte ich es Ihnen leugnen, denn unter Freunden, wie wir es uns waren, nur argwöhnische Zurückhaltung nicht an ihrem Platze wäre – Wie ich im vorigen Jahr in den Zeitungen las, daß Sie den Winkler zum Vizedirektor ernannt hätten, – so zwang mich eigentlich mein Gefühl, meine prekäre Stelle sogleich aufzugeben. Sie selbst waren der nächste Zeuge, wie ich seit den 22 Jahren immer gegen den schädlichen Einfluß dieses Mannes gekämpft hatte. – Sie waren Zeuge, welche Abscheulichkeiten man sich gegen mich und nachher selbst gegen Sie erlaubt hatte, welche Kabalen, Anklagen, Verleumdungen usw. von ihm ausgingen.“ –

Der Inhalt dieser Briefe hat für uns darum außergewöhnlichen Wert, weil der Dichter hier anschaulich und wahrheitsgetreu in vielen Einzelheiten den Verlauf seines Berliner Lebens bis zu seinem Tode schildert, rückblickend aber auch


  1. Köpke a. a. O. II 262.
  2. Lebenserinnerungen III 92.