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Einführung

Für den Dichter Ludwig Tieck bedeutete das Jahr 1819, in dem er das ländlich stille Ziebingen verließ und mit den Seinen und der ältesten Tochter Henriette des ihm befreundeten, 1818 verstorbenen Grafen Finkenstein nach Dresden übersiedelte, den Beginn eines neuen wichtigen Lebensabschnitts. Die meisterhafte Kunst, mit welcher Tieck zweimal in der Woche in seinem gastfreien Hause Am Alten Markt 521 I, heute An der Kreuzkirche 1, Einheimischen und Fremden klassische Dramen vorlas, die trefflichen Ratschläge, die er für die Aufführungen von Theaterstücken erteilte und nicht zuletzt die wertvollen, mit wirklicher Sachkenntnis geschriebenen Theaterkritiken, die er seit 1823 in der von Friedrich Kind und Theodor Hell herausgegebenen Abendzeitung veröffentlichte, wurden von allen wahrhaft literarisch Gebildeten sehr beifällig aufgenommen. Zu ihnen gehörte auch Ida von Lüttichau. Am 30. Mai 1798 zu Sellin in der Neumark als ältere Tochter des preußischen Oberstallmeisters Karl Christoph von Knobelsdorf und seiner zweiten Frau Henriette geb. von Röppert geboren, hatte sie in Sprachen, Literatur, Malerei und Musik eine sehr sorgfältige, ihrer ungewöhnlich großen Begabung Rechnung tragende Ausbildung genossen. Zwanzigjährig verheiratete sie sich mit Wolff Adolf August von Lüttichau, Herrn auf Ober- und Niederulbersdorf in der Sächsischen Schweiz, der 1824 zum Generaldirektor des Sächsischen Hoftheaters ernannt wurde. Mit Tieck war sie 1823 durch häufigen Umgang näher bekannt geworden und hatte damals bereits von seiner Persönlichkeit als Mensch und Dichter einen nachhaltigen Eindruck bekommen. Ihrer besonderen Fürsprache hatte der Dichter es anscheinend mit zu danken, daß er vom 1. Januar 1825 ab als Dramaturg des Hoftheaters fest angestellt wurde. Wahrhaft ideal war der von den beiden geschlossene Freundschaftsbund, der sich, kaum beeinträchtigt durch den großen Altersunterschied von fünfundzwanzig Jahren, mit der Zeit immer herzlicher gestaltete. Was sie bewegte, mochten es eigene Angelegenheiten sein, oder Tagesereignisse, oder Menschheitsfragen, alles besprachen sie, in der Absicht, als wahre Freunde sich gegenseitig zu fördern, mit rückhaltloser Offenheit. Von diesem schönen Einvernehmen der beiden berichtet von den vier Tieck-Biographen Köpke, von Friesen, Berend und Zeydel nur der zweite[1]. Einiges darüber bemerkt auch Elisabeth (Le Maistre),


  1. Vgl. Rudolf Köpke, Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters (Leipzig 1855). – Hermann Freiherr von Friesen, Ludwig Tieck. Erinnerungen eines alten Freundes aus den Jahren 1825–1842 (Wien 1871). – Eduard Berend, Lebensbild. Einleitung zu Tiecks Werken, herausgegeben von Ed. Berend (Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 1923). – Edwin H. Zeydel, Ludwig Tieck, the German romanticist (Princeton 1935).