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Dienstag, 23. Oktober.

Schon beginnen die Regenwürmer wieder auszukriechen und ihre schmierige Loyalität zu produzieren; unter den ersten natürlich Heydenreich[1] in einem Eingesandt des Dresdner Journals. Vielleicht ist diesmal der König königlicher als die Königlichsten und findet sich ganz still in Pillnitz ein, und zwar, wie ich höre, bereits nächsten Sonnabend.

Sehr schönes Plenum. Mit 12 gegen 9 Stimmen wird Meißners Kündigung beschlossen. Mein Kollege Kistner exzelliert, indem er mich zu einer Erklärung provoziert.


Mittwoch, 24. Oktober.

Alles schwirrt schon von Empfangshandlungen. Pfotenhauer stellt Programme auf und entwirft Plakate. Heute ist die Übergabe des Königsteins erfolgt; die Infanterie marschiert nach Pillnitz ab, die Artillerie bleibt oben. Auf morgen ist Publikation des Friedensvertrages zu erwarten.


Donnerstag, 25. Oktober.

Heute morgen 8 Uhr bringt ein Extrablatt den Friedensvertrag, welcher viele sehr abduschen wird. Zehn Millionen! Und faktisch ist die Militärhoheit hops, ebenso rechtlich das Telegraphenwesen. Der Vorteil ist für Sachsen minus die 10 Millionen, daß es gezwungen den freiwillig Norddeutschverbündeten gleichgestellt wird. Nun werde ich, wenn der Empfang vorüber, dieses Kriegstagebuch zuklappen.

Mittags Plenarsitzung, in welcher das Empfangsprogramm festgestellt wird[2]. Die allseitige Enttäuschung über den Frieden, wie er ist, spricht sich nach den verschiedensten Richtungen und in allerhand Tonarten aus. Sehr deprimierend wirkt insbesondere der doch gänzliche Verlust des Königsteins und die Tatsache, daß infolge der Entlassung der Kriegsreservisten vor dem Eintritte in das Land der erwartete Wiedereinzug der Armee auf dem Kriegsfuße hinfällig wird. Rabenhorst, der Preußenhasser, ist offiziell enthoben.


  1. Heydenreich, Dr. iur., Oberappellationsrat, rief zu würdigem Empfang des Königs auf unter Vermeidung aller preußenfeindlichen Demonstrationen (24. Oktober).
  2. Verhandlung über die Beschlüsse des Rates in der geheimen Stadtverordnetensitzung am 25. Oktober (Protokolle): 26. Oktober Empfang des Königs in Bodenbach durch die beiden Kollegien in corpore. Beim Einzug des Königs in Dresden Aufstellung beider Körperschaften an dem zu errichtenden Festbau am Eingangstor. Die Bürgerschaft soll zur Aufstellung in den Straßen, die Turnerschaft zum Ordnungsdienst aufgefordert werden. Schmückung des Rathauses; Läuten der Glocken; abends Anzünden der Gaskandelaber.
    Dr. Schaffrath erklärt, daß die Freiheit der Entschließung dem Kollegium genommen sei, da ja bereits morgen der geplante Empfang an der Grenze stattfinde, der übrigens Sache der Landesregierung sei. Dr. Wigard schließt sich der Erklärung an. Die Ratsbeschlüsse werden angenommen. Vorsitzender Ackermann fordert zur Versammlung am 26., vormittags 11 Uhr, auf dem Böhmischen Bahnhof zur Fahrt mit Extrazug nach Bodenbach auf.
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/74&oldid=- (Version vom 31.5.2024)