Stellen versuchten pflichtmäßigen Wirkens für Erhaltung der Ordnung war die mehrfach geäußerte Meinung nicht ganz ohne tatsächlichen Grund, daß unter einer einheitlichen und tatkräftigen Befehlsleitung die Kommunalgarde ernstlich und ehrenvoll die Ordnung verteidigt hätte, ja daß es ihr vielleicht gelungen wäre, den Aufstand im Keim zu erdrücken. Zeigte doch in Leipzig die Kommunalgarde einen trefflichen Geist und trat einem Aufstand, der am 6. Mai dort ausbrach, kräftig und entschlossen entgegen. In Dresden aber führte der Mangel eines Oberbefehls einen Zustand der Ratlosigkeit herbei und legte die Truppe als Ganzes vollkommen lahm. Die Guten verfielen einer Art Betäubung, die Schlechten wurden entfesselt und gewannen Oberwasser: so lockerte sich die Mannszucht in bedenklichem Grade. Noch während die Garde unter Waffen stand, verweigerten einzelne Gardisten den Führern den Gehorsam, ja beleidigten und bedrohten sie und forderten die Kameraden zum Kampfe gegen das Militär auf. Der Führer des I. Bataillons, Oberleutnant von Brandenstein, geriet in heftigen Streit mit einem Teil seiner Mannschaften und dankte ab. So bröckelte die Leitung noch weiter ab. Die Abteilungen und Mannschaften blieben ohne bestimmte Befehle und sahen sich den Beschimpfungen der Menge ausgesetzt, ohne Mittel, tatkräftig dagegen vorzugehen. Wie Sprengpulver wirkte dann die Ernennung des Kommandanten Heinze und noch mehr die Einsetzung der provisorischen Regierung. Als diese über die Kommunalgarde verfügen wollte, wurde es nachgerade allen Mitgliedern klar, daß sie nicht zur Wiederherstellung der Ordnung, sondern zur Unterstützung des Aufstandes verwendet werden sollten. Damit war die Truppe als Ganzes schon jetzt so gut wie aufgelöst und fiel in ihre Bestandteile nach der politischen Gesinnung auseinander. Nicht mehr geheimer Kampf, sondern offene Scheidung der Gegensätze fand jetzt statt. Der größere Teil, der der Ordnung zugetan war, entbehrte freilich der Führung und konnte sich, verstärkt von den Lässigen und Vorsichtigen, eigentlich nur in der Enthaltung vom Kampf betätigen, also nicht betätigen; allenfalls besetzten einige Abteilungen, wie vorgehend erwähnt, neutrale Stellungen oder bildeten, wie die Neustädter, Sicherheitswachen in den Vorstädten.
Immer mehr nahm aber mit der Zeit die Zahl derjenigen ab, die anfangs der Volksbewegung zuneigten. Je klarer das Ziel
Dr. Georg Beutel: Dresdner Bürgersoldaten. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1926, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft30VereinGeschichteDresden1926.djvu/110&oldid=- (Version vom 10.9.2022)