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die beiden eng befreundeten in Dresden in demselben Jahre (1748) geborenen Kirchenkomponisten Joseph Schuster und Franz Seydelmann in die führende Tätigkeit geteilt, und erst im Jahre 1776 war in Naumann der Mann an die Spitze der Kapelle gelangt, der dann zum Oberkapellmeister (1786) ernannt, den beiden zu Kapellmeistern avancierten Musikern übergeordnet und, wie einst der von ihm schwärmerisch verehrte Hasse, Führer im Dresdner Musikleben wurde. Das dankte er aber nicht nur seinem, wie schon gesagt, mit einem großen auch auswärts, bei dem Neuaufbau der Orchester- und sonstigen musikalischen Verhältnisse in Kopenhagen und Stockholm, bewiesenen organisatorischen Geschick, sondern auch seiner Bedeutung als Komponist. Während nämlich Schuster und Seydelmann in ihrem quantitativ sehr umfänglichen Schaffen sozusagen im Banne des Dresdner Ortsgenius blieben – Schuster dankte seine nicht zu bestreitende Beliebtheit in seinen Kirchenwerken vornehmlich den für Hörer und Ausführende gleich anziehenden im melodiösen italienischen Zeitstil gehaltenen vom Chor unterbrochenen Gesangsoli[1] – erhob sich Naumann unbestritten über diesen hinaus.

In Naumanns Kirchen- und kirchlicher Musik, in seinen Messen, Psalmen und Motetten, wie in seinen Oratorien, der Vertonung des Klopstockschen „Vater Unser“ u. a. m. spricht sich in Anlehnung an die noch herrschende italianisierende Richtung der besondere Geist des Aufklärungszeitalters des protestantischen Nordens aus, und Emil Naumann, sein Enkel, bezeichnet dieses Zeitliche nicht unzutreffend als musikalischen Zopfstil. Indessen jene gewisse Kühle, die aus dem rationalistischen Bekennertum Naumanns sich von selbst ergibt, wird doch namentlich an Stellen, in denen die Poesie und Schönheit des katholischen Kultus den zeitgenössischen, versöhnlichen, weltbürgerlichen und freimaurerischen Idealen zugetanen Komponisten unmittelbarer berühren, nicht selten von Episoden und Sätzen von stärkeren inneren Antrieben und dementsprechend von vertiefterem, erhobenerem und wärmerem, oder doch empfindsamerem Sichaussprechen unterbrochen. Namentlich in den Messen in As-Dur und A-Moll finden sich Belege dafür. In der ersteren treten u. a. durch Ernst und Weihe hervor das Kyrie[2] und Christe eleison, wie durch zarte Empfindung das Benedictus, in der letzteren[3] ist u. a. das schöne Benedictus und das zu einem gewissen Schwung sich erhebende Agnus Dei namhaft zu machen. Eine D-Moll-(Pastoral-)Messe dankte ihre Beliebtheit u. a. dem alla siciliana weich dahingleitenden Agnus Dei[4].


  1. Band I der Musik am sächsischen Hofe enthält ein im Kirchenrepertoire bevorzugtes Ave Maria. Ein Weihnachts-Pastorale „Salve puer“ erfreut sich gleicher Gunst.
  2. Siehe Band I der Musik am sächsischen Hofe.
  3. Das Et incarnatus est und Crucifixus der A-Dur-Messe (Satz 20) in C. H. Dörings Sammlung geistlicher Vokalmusik (L. Hoffarth).
  4. Band I der Musik am sächsischen Hofe.