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Interessant ist, daß kaum ein halbes Jahr später ein anderes Werk des letzten Beethoven erklang, was vielleicht durch die Aufführung der Neunten mit veranlaßt war. 1839 führte die Dreyßigsche Singakademie zum ersten Male im Bereiche des heutigen Deutschen Reiches die „Missa solemnis“ auf. Dies ist ein Beweis, wie hochstehend das außerhöfische Musikleben in Dresden war. Es lebten aber auch Persönlichkeiten daselbst, deren Namen auch heute noch guten Klang haben, Julius Otto, der Hoforganist Dr. Johann Schneider, den Mendelssohn für den größten lebenden Organisten erklärte, ein Bruder des „Weltgerichts“-Schneider, sein Vorgänger der tüchtige Agthe, einige Jahre später Robert Schumann mit Gattin, Wagner, F. Hiller u. a.

Hatten in den zwanziger Jahren schon einmal öffentliche Kammermusiken existiert (von einem Quartett der Hofkapelle: Peschke, Schmiedel usw.), so erwachten diese nach mehrjähriger Pause, während welcher die Kammermusik nur in den Salons erklang, in den dreißiger Jahren zu neuer Blüte (Kgl. Konzertmeister Schubert, Rolla, Morgenroth, Dotzauer u. a. Mitglieder der Kgl. Kapelle). Ein Ereignis für Dresdens gesamtes Musikleben war Lipinskis Anstellung. Seine Quartettabende waren weithin berühmt. Auch vereinigte er sich mit fremden Künstlern zu Kammerveranstaltungen in Dresden, z. B. mit Liszt. In den vierziger Jahren kamen die Mittags- und Abendkonzerte des Schumannschen Ehepaares[1] hinzu, ferner die Hillerschen Veranstaltungen. Nach Schumanns Übersiedlung nach Düsseldorf 1850 wurden die Konzerte von Marie Wieck weitergeführt. Jul. Schnorr v. Carolsfeld[2], der Direktor der Gemäldegalerie, berichtet weiter von Elternabenden im Blochmannschen Erziehungsinstitut[3], in denen die königlichen Kammermusiker Quartette boten. Ebenso rief 1854 der Bildhauer Hähnel Kammermusiken mit Mitgliedern der Kgl. Kapelle ins Leben[2]. Viel Beachtung, auch von Fachleuten, fanden damals in Dresden und auswärts die Konzerte des Akustikers Kaufmann mit seinen von ihm erfundenen Instrumenten, Harmonichord (aufwärtsstehendes Flügelpiano, dessen Saiten gestrichen wurden), Äolsharfen, Trompetenautomat usw. C. M. v. Webers Opus 37, ein Konzertino, ist für das Harmonichord komponiert und wurde in einem von Reissiger geleiteten Konzert in der Dreikönigskirche aufgeführt[4]. Erwähnt seien auch die beiden Haupt- Männergesangvereine Liedertafel (gegr. 1830) und Orpheus (gegr. 1834), welche heute noch bestehen. Daß Reissiger, einer der ersten Männerchor-Komponisten der Zeit, diesen Vereinen seine ganz besondere Teilnahme zuwendete, ist selbstverständlich. Reissiger war selbst der erste Dirigent der Liedertafel.

Bekannt sind ja auch die ersten großen deutschen Männergesangsfeste in Dresden 1842 und 1843. Der Orpheus-Müller, Leiter des Orpheus, war Reissigers besonderer Freund. Auch der in Dresden lebende, Liszt und Chopin


  1. Nebenbei sei die Gründung der Rob. Schumannschen Şingakademie (erst Dresdner Singakademie genannt) 1848 erwähnt. Sie wurde erst 1914 in die heutige Dresdner Singakademie verwandelt.
  2. a b Vgl. „Aus Jul. Schnorr v. Carolsfelds Tagebüchern“ (Dresdner Geschichtsblätter 1892).
  3. In dieses bekannte Institut, an welchem der Dichter Roquette Lehrer war, schickte R. seine Kinder.
  4. R. interessierte sich selbst für das Instrument (vgl. Katalog des Musikhistorischen Museums Heyer in Köln).