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nennen, seien von den bildenden Künstlern genannt: Rietschel, Semper, L. Richter, Hübner, Bendemann, später Hähnel, von den Dichtern: Tieck, Tiedge, Julius Hammer, Reinick, F. Kind und Th. Hell mit ihrem Kreise, später noch Auerbach, Gutzkow, Roquette, der nordische Märchendichter Andersen, O. Ludwig, von Gelehrten: den Begründer der Bibliothekswissenschaft Hofrat Ebert, Hofrat Böttiger, Wolf Graf v. Baudissin. Solch ein Publikum stellte natürlich an eine Bühne die höchsten Ansprüche. Da es noch dazu ein Publikum des romantischen Zeitalters war, welches, wie es heißt, in seinen Dichtungen „eine fortlaufende Huldigung vor dem Throne der Musik darstellt“, mit anderen Worten, welches die Musik über die anderen Künste stellte, ist es besonders erklärlich, daß das musikalische Oberhaupt Dresdens diesem Publikum entgegenzukommen hatte. Reissiger verstand es, die größten zeitgenössischen Künstler nach Dresden zu ziehen. In gesangskünstlerischer Hinsicht hatte er ja, da er selbst Gesang studiert hatte, ein maßgebendes Urteil und konnte infolgedessen ein glänzendes Ensemble zusammenstellen: Tichatschek, Mitterwurzer, Scaria, Wilhelmine Schröder-Devrient, Maschinka Schneider, Henriette Wüst, um nur die allergrößten Namen zu nennen. Dazu ließ ihn seine Orchester- und Instrumentalkenntnis u. a. den Violinisten Lipinski, den Paganini-Rivalen, Cellisten wie Dotzauer, Kummer, den Klarinettisten Kotte, „eine Zierde Deutschlands“, den Flötisten Fürstenau, die Hornisten Haase und Levy, alles berühmteste Virtuosennamen der Zeit, in die Kgl. Kapelle berufen oder sie derselben erhalten. Ja Lipinski, der bei seiner Berufung 1839, trotzdem er 49 Jahre alt war, auf vollster künstlerischer Höhe stand und nur noch Paganini neben sich hatte, erschien Reissiger beinahe zu alt, so scharf war dessen kritisches Urteil bei Anstellungen und so groß die Fürsorge für die Zukunft seines Orchesters[1]. In den Sommermonaten, wenn manche der großen Künstler auswärts gastierten, sorgte Reissiger für Heranziehung fremder guter Kräfte als Ersatz. 1833 lesen wir[2]: „Der steten Wirksamkeit des Kapellmeisters Reissiger danken wir es, daß uns der dreimonatliche Urlaub der Mad. Schröder-Devrient keine Störung im Opernrepertoire macht, da dafür während dieser Zeit Mad. Kraus-Wranitzky auf unserer Bühne gastieren wird und die Sängerin Dem. Maschinka Schneider aus Berlin auf ein Jahr engagiert worden ist.“ Dabei müssen wir bedenken, daß es oft bei plötzlichen Urlaubsreisen der launischen Künstler (Schröder-Devrient) sehr schwer war, schnellen, wertvollen Ersatz zu erhalten.

Auch war Reissiger immer mit den neuesten Werken auf dem Plane. 1835 finden wir in der A. M. Z. S. 13 eine Ermahnung an andere Operninstitute, neue Werke nicht so lange dem Publikum vorzuenthalten, sondern – und dabei wird auf Dresden angespielt – sie schneller zur Aufführung zu bringen. Reissigers Persönlichkeit selbst spielte dabei natürlich in den geistigen Kreisen eine Rolle. Seine umfassende Bildung führte ihn überall ein. Er gehörte ja zu den Komponisten und Dirigenten des 19. Jahrhunderts die neben


  1. Im Amte ergraute Musiker waren ihm vom künstlerischen Standpunkte nicht erwünscht, er hätte sie lieber in den Ruhestand versetzt und durch junge Kräfte ersetzt gesehen; (vgl. unveröffentlichten Brief im Besitze des Herrn Prof. Anacker-Dresden; für freundliche Ver- mittlung sei Frl. Ella und Herrn Fritz Reuter-Dresden auch an dieser Stelle gedankt).
  2. A. M. Z. S. 296.