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größte Musikfest, welches Reissiger in seinem Leben geleitet hat, das fünfundzwanzigste Niederrheinische Musikfest zu Aachen 1843. Daß er gerade das Jubiläumsfest leiten durfte, war eine besondere Auszeichnung. In „meisterhafter“ Ausführung gelangten unter ihm mit einem Chore von 465 Sängern und einem Orchester von 133 Instrumentisten am ersten Tage das Magnifikat von Durante, die G-Moll-Sinfonie von Mozart und Händels Samson zum Vortrag. Als Solisten hatte Reissiger sich seinen berühmten Dresdener Tenor Tichatschek mitgenommen (seit 1838 von Reissiger nach Dresden engagiert). Am zweiten Tage erklangen die Sinfonia eroica von Beethoven, ein eigens für das Fest komponierter Psalm Reissigers und Hymnen von Cherubini und Vogler.

Das Institut der deutschen Oper in Dresden hatte nun inzwischen auch wieder gute Fortschritte gemacht. 1830 hatte Dresden in einem Jahre bereits mehr deutsche Werke aufgeführt, als Berlin, wo doch schon lange keine italienische Oper mehr Konkurrenz machte (seit 1805), während ja bekanntlich in Dresden die italienische Oper sich am zähesten von allen bestehenden gehalten hat (bis 1832)[1]. Zustatten kam Reissiger allerdings bei der Gestaltung des deutschen Spielplans, daß Morlacchi infolge seiner Krankheit doch nicht mehr so für sein Institut wirken konnte. Reissiger wechselte geschickterweise, um Hof und Publikum im Übergang allmählich an die ernsten deutschen Kunstwerke zu gewöhnen, in der ersten Zeit immer mit leichter verständlichen, schnell beliebt werdenden deutschen Singspielen und italienischen Werken ab. Er hatte die Freude, daß tatsächlich das Interesse für die deutsche Oper immer größer wurde. Nur von einer Seite suchte man immer noch das Gedeihen zu verhindern. Konnte man auch der Person des Leiters selbst nichts anhaben – dieser hatte sich durch Können und Charakter alle Herzen gewonnen –, so liest man doch, daß dem Unternehmen im Prinzip von einem Teile der Presse immer noch Erschwerungen bereitet wurden. Eine herzhafte Erwiderung müssen wir deshalb wiedergeben, die die Lage treffend kennzeichnet. Wir lesen in der A. M. Z. 1829, S. 726: „Destomehr habe ich mich über die deutsche Oper gefreut, für welche dank der lebhaften Teilnahme des Hofes und des Publikums, die Direktion mehr zu tun anfängt. Konnten auch wegen der angestrengten Kräfte der deutschen Sänger, die während des Juni, Juli, August zwei- und dreimal in der Woche auftreten mußten, nur Wiederholungen älterer Opern stattfinden, so waren diese doch so vollkommen und von seiten der Sänger sowohl als des Orchesters so vollendet ausgeführt, daß man hinlänglich für die Neuheit entschädigt wurde. Ich erwähne nur die gelungenen Vorstellungen des Oberon, der Euryanthe, des Jakob und seine Söhne, der Libella, der zum ersten Male deutsch gegebenen Vestalin und des neu einstudierten Fidelio[2]. Der unvergeßliche Weber würde sich freuen, könnte er Zeuge sein, welche herrlichen Früchte das von ihm mit vielem Schweiß unter unaufhörlichen Kämpfen errichtete deutsche Institut trägt. Und dennoch wird die deutsche Oper jetzt noch von parteiischen Korrespondenten wie früher angegriffen. Die


  1. Vgl. Spazier 1830, Scherz und Ernst über Ernst Scherzliebs: „Dresden wie es ist.“
  2. Fidelio wurde eigentlich von R. für Dresden gewonnen, denn die einzige bisherige Aufführung (29. 4. 1823) unter Weber war nur eine Gelegenheitsaufführung wegen einer Gastin.