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sie wohl heute noch von Zeit zu Zeit möglich wäre. Nach Dresden brachte zuerst Kassel 1829, Wien 1830, Stuttgart, Weimar die „Yelva“ auf der Bühne, während die Konzertmusik durch Aufführung der Ouvertüre den Namen des Komponisten in ganz Deutschland verbreitete. Von den vielen lobenden Kritiken sei hier nur eine einzige wiedergegeben, die aber die Musik sehr treffend bezeichnet. Aus Wien wird berichtet bei Gelegenheit des Gastspiels einer kgl. spanischen Ballettänzerin[1]: „An ihrem Benefizabende erschien sie als Yelva im Drama gleichen Namens, und die Genauigkeit der Mimik zu einer Handlung, wovon ihr nicht eine Silbe der Mitspielenden verständlich war, mußte jedenfalls Bewunderung erregen. Ein neuer Beweis der wahren ausdrucksvollen Charakteristik in Reissigers Komposition.“

1829 folgte die Oper „Libella“ mit der Schröder-Devrient in der Titelrolle, die auch viel Anerkennung fand. Neunmal wurde sie in einem Jahre in Dresden aufgeführt. Die Kritiken sprechen immer nur von der „lieblichen“ Libella, und tatsächlich ist hier alles in Melodie getaucht, aber keine angekränkelte, sondern eine frische Melodik ist vorherrschend. Die Tänze sind gefällig, rhythmisch einfach, aber gesund melodiös. Auch dämonische Klangfolgen kommen vor, die aber Webers oder Marschners Vorbild nicht erreichen, der Text stammt von Theophania (Deckname für Fräulein v. Brochowska). Die Ouvertüre wurde ebenfalls, wie die anderen Ouvertüren Reissigers (Dido, Nero usw.), in allen Konzerten gespielt[2]. Alle diese Werke aber sollte die Ouvertüre zur Oper „Die Felsenmühle“ übertreffen. Mit ihren prägnanten, französisch prickelnden Rhythmen und weichen, melodischen Linien nach italienischer Art hat sie sich bis auf den heutigen Tag gehalten. Wir können aus der energischen Rhythmik, wie sie ebenso vielen anderen Kompositionen Reissigers eignet, folgern, daß Reissiger auch als Dirigent ein straffer, präziser Rhythmiker war. Die Ouvertüre zur „Felsenmühle“ verschaffte ihm Weltbekanntheit. Die Oper selbst, nach dem Text von v. Miltitz[3], zeigt nun, wie alle kommenden Werke (Turandot 1835, Adele de Foix 1841, der Schiffbruch der Medusa 1846), die Erscheinung, daß bei völlig undramatischer Anlage des Textes, gelungene Nummern neben vielen mittelmäßigen stehen. Der Text war totes Schema und gab dem Komponisten zu wenig individuelle Anregungen, so daß der Letztere auch einem Schematismus (italienische Arie) verfallen mußte. Die tatsächlich wirkungsvollen Nummern aber, die auch zu Lebzeiten Reissigers den Werken den Erfolg, von dem man allerorts liest, verschafften, sollte man nicht in ihrer alltäglichen Umgebung stehen lassen, um das Urteil über Reissiger zu wandeln. Nach Dresden brachte 1831 das Kgl. Hoftheater zu Leipzig (1829 – 32 eine Filiale von Dresden) „Die Felsenmühle“ und ehrte den selbst dirigierenden Komponisten unter anderem durch Überreichung eines seidenen Theaterzettels. Dieselbe Ehrung hatte Reissiger auch gelegentlich der „Yelva“"-Erstaufführung 1829 in Leipzig erfahren. Der musikalische Leiter der Leipziger Hofoper war Dorn, der in seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1870 – 79) öfter erwähnt, daß er durch Reissigers Empfehlung diese Stelle erhalten habe. Interessant ist, daß ferner Kopenhagen die Oper aufführte. Beziehungen


  1. A. M. Z. 1837 S. 303.
  2. Sogar aus Moskau und London liegen Berichte vor. A. M. Z. 1838 S. 530.
  3. Vgl. weiter unten.