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Der König war sofort bereit, das Gesuch zu genehmigen, auch gleich die Zulage zu gewähren, und zwar befahl er, um seiner persönlichen Anerkennung für Reissiger Ausdruck zu verleihen, aus eigener Entschließung, daß die Zulage auch schon für das Probejahr nachzuzahlen sei. Zugleich wurde Reissiger von nun an zur Erleichterung ein Korrepetitor beigegeben[1]. Wie große Beliebtheit sich Reissiger in dem einen Jahre erworben hatte, bezeugt auch das Bittgesuch an die Intendanz mit der eigenhändigen Unterschrift sämtlicher Mitglieder des Kgl. Orchesters, worin dieselben um Reissigers ständige Anstellung ersuchen: „Mit welcher Einsicht, mit welcher Dexterität und, was wohl höher noch zu stellen sein möchte, mit welchem Geschmack er bisher diesem Amte zu genügen bemüht gewesen sei, welche Anerkennung ihm hiernächst seines eigenen musikalischen Schaffens gebühre, darüber dürfen wir uns, so beifällig auch der Herr Kapellmeister Morlacchi selbst sich darüber ausgesprochen hat, ein Urteil nicht anmaßen, müssen solches vielmehr lediglich höherem Ermessen anheim stellen; aber das dürfen wir mit gnädiger Erlaubnis freimütig erwähnen, daß die Art und Weise, wie er im Verhältnis zu uns seine Funktionen verwaltete, nicht bloß kalte Anerkennung seiner Verdienstlichkeit, nicht bloß unverdrossenes, williges Entgegenkommen, sondern auch einstimmige, wahrhafte Anhänglichkeit und Liebe zur Folge gehabt hat, ohne daß jemals dieser gegenseitige freundschaftliche Verband bei der Strenge und Pünktlichkeit musikalischer Ausführungen störend eingewirkt hätte.“

Reissiger war nun ganz für Dresden gewonnen. War ihm auch endlich ein Korrepetitor beigegeben, so überlege man sich aber, was es an Arbeitslast bedeutete, ein Institut wie die Dresdner Hofoper mit ihren zwei Teilen, dem deutschen und dem italienischen Personale, einem einzigen Musikdirektor und einem Korrepetitor (ein Jahr lang sogar nur dem Musikdirektor allein) anvertraut zu haben, während früher zwei oder drei Kapellmeister und ein Musikdirektor sich in die Arbeit teilten. Im Winter kamen auch noch Konzertdirektionen dazu, wovon später noch geredet werden soll. Morlacchi genoß jetzt Ferien gleich bis zu dreiviertel Jahr. Er war überzeugt, daß in Reissigers Händen alles wohl verwahrt war. Unter Hintansetzung seiner eigenen Gesundheit erfüllte nun Reissiger seine Pflichten peinlich. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als nutzte man seine fabelhafte Arbeitskraft und seinen Fleiß aus, denn das Interregnum zwischen Webers Verlust und der offiziellen Ernennung des Nachfolgers dauerte doch nun schon etwas sehr lange.

Die bisherigen Leistungen der italienischen Oper waren Reissiger ein Ansporn, Webers deutsche Oper womöglich noch über dieselben zu erheben und die Abhängigkeit der deutschen von der italienischen zu vermindern. Sein unvollständiges deutsches Ensemble suchte er zu ergänzen und Publikum und Hof allmählich mit deutschen Werken vertraut zu machen. Nach einigen

Singspielen und Boieldieus neuer Oper „Die weiße Dame“ und Aubers „Maurer und Schlosser“ (ebenfalls neu) kam vor allem Webers „Oberon“ zum ersten Male in Dresden in geradezu glänzenden Aufführungen heraus. Die bereits genannten „Erinnerungen einer alten Dresdnerin“ (Seite 174) widmen diesen


  1. Frz. Mayer, Ripienist beim Kirchengesang der kath. Hofkirche, erhielt die Stelle und wurde daher der erste Korrepetitor der Dresdner Oper.