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Minister v. Altenstein vom 11. November 1826 heißt es: „Hauptsächlich aber bitte ich untertänigst, Ew. Exzellenz wollen sich überzeugt halten, daß ich dieses neue Geschäft nur als eine Vorschule betrachten werde, um dereinst imstande zu sein, meinem Vaterlande, wenn es meine Dienste und meine Kräfte, die ich demselben schuldig bin, verlangt, auch in diesem Bereich der Tonkunst von Nutzen sein zu können.“ Zweitens weist Reissiger die Gehaltsangebote aus Dresden entschieden zurück und bedeutet, da er sich verschlechtern würde, lieber in Berlin zu bleiben, weil ihn dort „die schönsten Aussichten fesseln“. „Wenn diese auch durch meinen Abgang von hier (Berlin) für die Zukunft gerade nicht verloren gingen, so ist es doch riskant (nach Dresden zu gehen).“ Unter 800 Talern wollte er nicht kommen, und auch nur, wenn er Aussicht auf Zulage haben könnte, in dem Falle, „daß die Direktion mit ihm ganz zufrieden sei“. Ich bin überzeugt, daß Sie (Th. Hell) das Honorar für einen geplagten Musikdirektor mäßig finden, und ich selbst finde das; indes schmeichelt mich die Hoffnung, daß ich als Klaviervirtuos oder Akkompagnateur bei irgendeinem Gliede des königlichen Hauses noch dazu verdienen kann.“

Um ihn ganz an Dresden zu fesseln, bewilligte man nun sogar 1000 Taler. Letzten Endes wird die Entscheidung vom Könige selbst herbeigeführt worden sein, welcher eine persönliche Neigung zur italienischen Oper hatte und Reissiger schätzte, vor allem wegen dessen italienischer Oper „Dido“. Diese Tatsache zeigt uns sogleich, wie die Sache in Dresden lag. Die junge deutsche Oper, welche gerade vor jetzt hundert Jahren (1817) von Weber gegründet worden war, kämpfte ihre Kinderjahre durch. Erst Schritt für Schritt konnte sie Boden gewinnen. Das Publikum und besonders der Hof begünstigten immer die italienische Oper vor der deutschen. Die Dresdner italienische Hofoper hatte einen gewissen Ruf, welcher auch auf Fremde anziehend wirkte, und so kann man es dem Hofe in finanzieller Hinsicht gar nicht einmal so sehr verübeln, wenn er das sich besser rentierende Institut bevorzugte. Eine Stelle in den „Erinnerungen einer alten Dresdnerin“[1] ist interessant: „Es gab damals viele fremde, distinguierte Familien, welche, da der Gebrauch der böhmischen Heilquellen ihnen durch zwei Sommer hindurch verordnet war, den Winter über hauptsächlich der italienischen Oper wegen gern in Dresden verweilten. Die italienischen Opernvorstellungen boten mitunter wahrhafte Kabinettstücke von Präzision und Abrundung der Gesamtleistung, ganz besonders in der Opera buffa, die damals hier ihresgleichen suchte.“ Ferner bedenke man, daß die Mitte der zwanziger Jahre alle deutschen Städte in den Zustand der fast krankhaften Rossinivergötterung fand, mit anderen Worten, die italienische Oper ein Höchstmaẞ an Verehrung erfuhr. Um diese Zeit hätte wahrscheinlich selbst ein so radikaler Gegner der Italiener, wie R. Wagner es war, mit wenig Erfolg gekämpft. Als dann 1842 Wagner nach Dresden kam, war der äußere Kampf bereits durchgefochten. Die Italiener hatten das Feld vollständig geräumt. Diesen Sieg der Deutschen, nach der Vorarbeit Webers, allmählich herbeigeführt zu haben, ist aber das unbestreitbare Verdienst Reissigers. Keiner war durch seine Persönlichkeit mehr dazu geeignet als Reissiger, der mit


  1. Börner-Sandrini, Dresden 1878.