Seite:Heft26VereinGeschichteDresden1918.pdf/62

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

zerstören verstanden. Nun erschienen aber wieder neue Anwärter, die in der deutschen Oper oder als Dirigenten etwas leisten würden, und ihm damit gefährlich werden konnten (Marschner, Reissiger usw.). Bei Rellstab[1] lesen wir, daß Spontini bei Neubesetzung einer Musikdirektorstelle mit Absicht „den berühmten“ F. Ries und den talentvollen Reissiger übergangen habe. Reissiger brauchte sich allerdings nicht zu grämen, denn schon winkte der neue Wirkungskreis, der für sein Leben endgültige Entscheidung brachte, die Kgl. Hofoper in Dresden.



Kapitel 5.
Reissiger in Dresden. 1826 – 1859.

„Es sollte mich freuen, wenn mein längst im stillen gehegter Wunsch, nach Dresden zu kommen, sich realisiert“, so schreibt Reissiger am 13. Oktober 1826 in dem schon erwähnten Briefe an Hofrat Winkler (Theodor Hell)[2]. Man mußte in Dresden an einen Ersatz für Weber in der Leitung der deutschen Oper denken. Den Musikdirektor Marschner wollte man anscheinend nicht als Webers Nachfolger, weshalb dieser Dresden 1826 verließ. Der jungen deutschen Oper versetzte man aber eigentlich einen Schlag, indem man Webers Kapellmeisterposten vorläufig überhaupt unbesetzt lassen und nach Marschners Weggang nur dessen Musikdirektorposten neu besetzen wollte. Bei der Umschau unter den Deutschen kam der weimarische Hofkapellmeister Hummel ernstlich in Frage, ferner der Teplitzer Bürgermeister Wolfram, dessen Oper „Die bezauberte Rose“ soeben in Dresden Erfolg gehabt hatte. Letzterer war ein Günstling sowohl des musikliebenden preußischen, als auch des musikalischen sächsischen Königs, welche beide mit ihm im Bade Teplitz infolge seines Amtes in Berührung gekommen waren[3]. Als Dritten hatte man den bereits 1824 mit der italienischen Oper „Dido“ in Dresden eingeführten Reissiger ins Auge gefaßt, welchem damals zugleich eine Aussicht auf einen Musikdirektorposten gemacht worden war, die aber durch Marschners Anstellung, wie berichtet, wieder zerstört wurde. Die Entscheidung fiel auf den jüngsten der drei Kandidaten, auf Reissiger.

Wenn wir nun in der Biographie Wolframs[4] von Intrigen einer ihm nicht wohlwollenden Partei lesen, welche vielmehr sehr für Reissiger eintrat, so mögen dieselben existiert haben oder nicht, das eine ist sicher, daß Reissigers Person selbst daran vollständig unbeteiligt ist. Das geht hervor erstens daraus, daß Reissiger die Stellung des königlichen Musikdirektors in Dresden jetzt noch gar nicht als Lebensstellung für sich ansah. Im Schreiben an den


  1. Über mein Verhältnis als Kritiker zu Herrn Spontini, Leipzig 1827.
  2. Vgl. Anmkg. 2 auf S. 51.
  3. Meißner, Geschichte meines Lebens (1884 I. Band) schreibt: „. . . . . niemand empfand die Gunst des preußischen Monarchen lebhafter, als der Teplitzer Bürgermeister. Jedes Jahr ging eine Oper von Wolfram auf der Berliner Hofbühne in Szene. Auf allerhöchsten Wink öffnete sich diesen Werken eine Bühne, die selbst einem C. M. v. Weber so lange verschlossen war.
  4. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich (Artikel: Wolfram).