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Der nächste Brief, datiert Lyon, den 30. Januar 1825, ist zunächst die Antwort auf ein Schreiben Stobwassers, worin er Reissigers Abreise von Paris gemißbilligt hatte: „Sie sind mit meiner Abreise von Paris (die sich übrigens noch ganze vierzehn Tage verspätet hat!) nicht zufrieden, lassen Sie sehen, verehrter Herr, was ich Ihnen entgegensetzen werde. Meine Abreise nach Italien war in mir so fest und in meinen Augen so notwendig, daß ich wirklich nicht anders konnte, als dieses Jahr noch dahin zu reisen. Sie werden sagen: ich hätte können nächstes Jahr dahin gehen, allein das darf ich ja dem Minister noch gar nicht merken lassen, daß ich noch ein Jahr wegbleiben möchte, da er mir noch nicht einmal meine erste Bitte (Zuschuß von 200 Talern) bewilligt hat – und wie denn, wenn mir der Minister längere Unterstützung abschlägt? – dann habe ich in Paris gesessen und Italien nicht gesehen. Sehen Sie, so sitze ich denn seit gestern abend hier, um morgen nach Turin abzureisen und spekuliere nunmehr so: Seit 14 Tagen habe ich in Paris bloß für den Minister gearbeitet (der Minister hat mir einen sehr artigen Brief geschrieben, hat meine Nachrichten sehr interessant gefunden und mich seiner vorzüglichen Hochachtung versichert, er schrieb mir, daß er sehr wünsche, ich möchte ihm über das Konservatorium die möglichst vollständigsten Nachrichten einschicken, und machte mir besonders unter dieser Bedingung Hoffnung zur Zulage) und die möglichst vollständigste Schilderung des Konservatoriums eingesandt, welches mir ungeheure Mühe gemacht hat, weil ich in Ermangelung eines gedruckten Etats alles einzeln von den Professoren erfragen mußte; ich hoffe also, daß der Minister, dem ich noch geschrieben habe, daß er mir erlauben möchte, meine eigenen Bemerkungen und Ansichten über das Zweckmäßige und Nachahmungswerte dieses Instituts (damit ich nicht wieder nachhinken muẞ) solange zurückzuhalten, bis ich sie noch geläutert und gestärkt hätte, was vorzüglich durch die Untersuchung und Vergleichung mit dem schönen Prager Konservatorium und durch Betrachtung des Fortschreitens des Wiener Konservatoriums, das ich vor drei Jahren erst im Entstehen fand, und wo ich selbst Ehrenmitglied wäre, mit größtem Nutzen geschehen würde und könne, wenn anders Se. Exzellenz mich ferner unterstützten, mir die 200 Taler Zulage geben wird, damit ich in Italien, wo ich nicht so viel verdienen kann oder vielmehr gar nichts verdienen kann, leben kann und die ungeheuren Reisekosten decken kann. (Denken Sie, daß allein der Platz von Paris nach Lyon 70 Franks und der nach Turin 75 ohne Bagage kostet, und daß man nur 10 kg (25 Pfd.) frei hat); habe ich diese 200 Taler erst erwischt, nun so hoffe ich später einkommen zu können um Verlängerung meiner Reise. Gibt mir der Minister keine längere Unterstützung, nun so müßte ich eigentlich nach Berlin zurückkehren – gibt mir der Minister aber keinen guten Platz in Berlin oder keine ganz feste Hoffnung, so fegte ich augenblicklich wieder nach Paris, wo ich in alle Verbindungen wieder eintreten kann, wo ich gern gesehen bin und mir so viel spielend verdienen kann, als ich brauche, um recht honett alle Vergnügungen von Paris zu genießen. Sie werden über meinen Entschluß sich wundern, allein, warum sollte ich nicht eine Stadt liebhaben, wo ich in so kurzer Zeit, in einem Aufenthalt von 4½ Monaten als Kompositeur (als Fremder!) so gesucht worden bin, daß ich an 1400 Franks Kompositionen verkauft habe und wo noch für