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ein in mehrfacher Hinsicht angenehmes, auch mehr als gewöhnlich besuchtes Konzert. Symphonie A 7 von Beethoven, Duett aus Zelmire usw. alles vortrefflich. Herr Reissiger ließ uns Hummels A-Moll-Konzert hören. An Fertigkeit und seelenvollem Vortrag hat er sehr bedeutend gewonnen, so daß das Perlende auch in schweren Aufgaben, was notwendig zur Meisterschaft gehört, sich gewiß bald dem schon Errungenen beigesellen wird. Seine Ouvertüre zu Dido, welche sehr gut und voll instrumentiert ist, rund und melodiös ist, nur daß sie zu sehr spontinisiert. Arie mit Chor aus derselben Oper voll Melodie, nach Art Rossini. Das Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello wurde ebenso sicher vorgetragen, als es besetzt ist.“

Reissiger berichtet dann weiter[1]: „Mein Weg führte mich über Nürnberg, wo ich mit Herrn Hofrat G. Döring wegen eines Opernbuches für mich sprechen mußte, nach Frankfurt a. M., da ich gerade zur Zeit der Messe viel Gelegenheit zu hören hatte, indem einen Tag um den anderen große Oper war. Ich habe mich über den guten Geschmack, der hier herrscht, sehr gefreut. Die hier erst kürzlich errichtete Singakademie, wenn auch bei weitem nicht so ausgebreitet und ausgebildet als die Zeltersche, wird von Herrn Schelble[2] geleitet, und beweist, ebenso wie in Berlin, welchen großen Einfluß das Hören und Treiben guter Kirchenmusik und Studieren gediegener Werke auf die Bildung des Geschmacks habe. – Schlechter wird die Musik in den Kirchen getrieben; der Chorgesang ist schlecht; die Organisten wissen nichts vom Kirchenstil; statt daß sie gebunden spielen, spielen sie unbändig und klaviermäßig, und ich habe wirklich eine recht merkliche, stufenweise Abnahme in dem einfach-edlen, religiösen Stil gefunden, je näher und je weiter ich innerhalb Frankreich kam.“

Ein Brief an seinen „liebsten Herrn Stobwasser“ vom 25. September 1824 aus Paris ergänzt in humoristisch-freierer Art das Reisebild: „Seit drei Tagen bin ich hier, und da sich mir eine so günstige Gelegenheit, Ihnen zu schreiben, durch einen Berliner, der hier im Hause Mendelssohns war, darbietet, so ergreife ich dieselbe, um Sie alle recht herzlich zu begrüßen und meine glückliche Ankunft in den Elysäischen Gefilden zu melden. Meine ganze Reise glich einer Wanderung in den himmlischen Regionen, und nur selten wurde ich durch eine ungeheure Rechnung im Wirtshause an das Irdische erinnert. Jedoch ich muß mich recht kurz fassen, da der Genannte bald abreisen will und ich es leider erst im Augenblicke, wo ich seine Bekanntschaft machte, erfuhr. Meinen Frankfurter Brief werden Sie doch bekommen haben? Ich hielt mich in allem vierzehn Tage dort auf, hörte sehr viel und viel Gutes im Theater, und zwar acht Opern, worunter Cortez, Faust, La Neige, Zauberflöte, und habe vorzüglich die letzten vier Tage recht angenehm in Bockenheim auf dem Landsitze eines Bankiers Ganslandt verlebt, der ein leidenschaftlicher Musiker ist. Von hier aus machte ich die Reise zu Wasser


  1. Ich bin in der glücklichen Lage, in diesem Kapitel eine ganze Anzahl Briefe und Berichte zum Abdruck zu bringen, welche zusammengestellt gewissermassen ein Stück Autobiographie darstellen, wie sie von keinem anderen Lebensabschnitt R.s existiert. Da sie zum allergrößten Teil bisher unveröffentlicht sind und sowohl ein interessantes Bild französischer und italienischer Musikgeschichte um diese Zeit geben, als auch R.s Persönlichkeit (sein klares Urteil) wirksam beleuchten, konnten sie nicht entbehrt werden.
  2. 1789 – 1837, bekannt als Gründer des Frankfurter Caecilienvereins und durch seine Methode, das absolute Gehör zu bilden.