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ich hier abzureisen, und ich werde dem Hofrat erst von Berlin aus antworten. Mein Protektor, der Herr von Könneritz, darf jetzt gar nicht nach Hofe, da seine Kinder die Masern haben, und dürfte ich deswegen wohl gar nicht weiter auf die Stelle spekulieren, um so weniger, da der Minister durchaus Marschner haben will, der seit fünf Jahren in seinem Hause Unterricht gibt. Heute abend bin ich bei der Kammerherrin Elise v. d. Recke, wo auch Tiedge[1] lebt, ich habe in diesem Hause schon manche schöne Stunde verlebt . . . . . . . . . . “

Unter dem 1. März 1824 wurde Reissiger der Bescheid, daß der König von Preußen ihm 500 Taler zu einer Kunstreise nach Paris und Italien unter der Bedingung zu bewilligen geruht habe, daß er sich bereit erkläre, seine Dienste nur dem preußischen Staate zu widmen. Das kam zur rechten Zeit, denn inzwischen hatte auch die Musikdirektorfrage in Dresden ihre Lösung, wenn auch freilich nur provisorisch, gefunden. Die andauernde Kränklichkeit des Dirigenten der italienischen Oper, Morlacchi, die diesen zwang, von Zeit zu Zeit in seinem südlichen Vaterlande Linderung zu suchen, sowie der Tod des Kirchenkomponisten Franz Anton Schubert hatten die auf Webers Schultern ruhenden Arbeitslasten dermaßen erhöht, daß man ihm, besonders im Hinblick auf seine eigene Schwächlichkeit, eine helfende Kraft zur Seite stellen mußte. Man fand sie in dem seit dem Jahre 1822 in Dresden weilenden Heinrich Marschner, der nunmehr durch Reskript vom 4. September 1824 als Musikdirektor der deutschen und solches vom 20. November auch der italienischen Oper angestellt wurde. Das Amt eines Kirchenkomponisten übertrug man Vincenzo Rastrelli. der schon früher dasselbe bekleidet hatte.


Kapitel 4.
Zweite Studienreise. Belgien, Frankreich, Italien.

Reissiger hatte dem Ministerium angegeben, daß er nach einem halben Jahre, also im September 1824, gedenke, die mehrjährige Reise anzutreten. Aber bereits im Mai sehen wir ihn in Leipzig, wo er die erste Station macht. Im Berichte an den Minister[2] vom 26. November 1824 aus Paris heißt es: „Ich hatte zuletzt die Ehre, Ew. Exzellenz von Leipzig aus zu schreiben, wo ich mich besonders wegen der Vielseitigkeit, in der man dort die Musik ausübt, etwas länger, als ich mir vorgenommen hatte, aufhielt. Leipzig ist wegen seiner schönen Kirchenmusik von den größten Städten ausgezeichnet. Der Choralgesang in den Kirchen ist einfach edel, und ich habe ihn nirgends so gut gefunden.“

Auch wollte er sich in Leipzig von seinen Freunden verabschieden und veranstaltete daher ein öffentliches Konzert. Die Kritik schreibt[3]: „Am 14. Mai gab uns Herr C. G. Reissiger im Saale des Gewandhauses


  1. Der bekannte Dichter der „Urania“, der mit der geistreichen Frau einen gemeinsamen Haushalt führte. (Vgl. Rachel, E. v. d. Recke. Leipzig 1901, 1902.)
  2. Die Berichte an den Minister v. Altenstein sind in den Reissigèr-Akten des Kgl. Geh. Staatsarchives Berlin (Repositur 76 VIII Sect. I 72) einzusehen.
  3. A. M. Z. 1824 S. 422.