Seite:Heft26VereinGeschichteDresden1918.pdf/14

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Er lebte noch bis 1839 in Brandenburg, wohin er sich zurückgezogen hatte. Seine musikalische Ausbildung hatte er einst bei keinem Geringeren als dem beliebtesten Theoretiker der Zeit, Daniel Türk, dem Lehrer Carl Loewes, in Halle genossen. Der Name bürgt für einen soliden Unterricht, welchen dann der Vater auch auf den Sohn, unseren Meister, übertrug. Es schließt sich gewissermaßen ein Kreis, die Dresdner, der Kreuzkantor Homilius und der Hofkapellmeister Naumann, waren die Lehrer Türks, welcher wiederum der Lehrer Christian Reissigers wurde, dessen Sohn und Schüler C. G. Reissiger wieder Dresdner Hofkapellmeister wurde.

Letzterer hatte mit seinem Bruder Friedrich August[1] die musikalische Begabung geerbt. Schon von früher Kindheit an erhielt Carl von seinem Vater Unterweisung in Klavier- und Violinspiel. Er zeigte sich so talentiert, daß er mit zehn Jahren schon öffentlich auf dem Klaviere vortragen konnte. Ja Sonntags durfte er sogar die Gemeinde auf der Orgel begleiten. Doch der Vater hatte nicht die Absicht, einen Musiker aus ihm zu machen, obwohl er von befreundeten Fachleuten dazu aufgefordert wurde. Da er kein Vermögen hatte, wollte er die Söhne lieber gesichertere Lebensstellungen einnehmen sehen. Sein Wunsch war, daß der Älteste Theologe würde. Zu diesem Zwecke aber mußte er an eine andere Vorbildungsanstalt, als die Heimatstadt bot, denken, und er faßte die altberühmte Thomasschule in Leipzig ins Auge.



Kapitel 2.
Aufenthalt in Leipzig.

Zu Ostern 1811 verließ Carl Gottlieb, 13 Jahre alt, das romantisch gelegene heimatliche Städtchen mit seinem alten Bergschloß Eisenhard, an welches er in späterer Zeit noch so gern erinnerte, und begab sich, vom Vater geleitet, nach der Stadt des Thomaskantors. Der Vater erstrebte, damit ihm die Ausbildung nicht zu teuer würde, die Aufnahme des Sohnes als Alumne. Dies war aber u. a. von musikalischer Begabung und einer guten Stimme sowie von einer schulärztlichen Untersuchung abhängig, welche die vollkommene Gesundheit des Aufzunehmenden festzustellen hatte. Die letztere Bedingung konnte insofern augenblicklich erfüllt werden, als von den Folgen eines in früher Kindheit erlittenen Bruches des linken Schlüsselbeins und damit zusammenhängender Erschütterung der Halsnerven vorläufig nichts mehr zu bemerken war[2]. Die musikalischen Fähigkeiten wurden durch eine Prüfung, die der damalige (seit 1810) Thomaskantor Schicht vornahm, erwiesen. Er ließ den Kleinen eine Arie: „Singt dem göttlichen Propheten“ a prima vista singen. Die Probe verlief günstig, und der Vater war glücklich, daß der Sohn gleich von Anfang an ins Alumneum aufgenommen werden konnte. So hatte seine ausgezeichnete Stimme dem


  1. Auch Friedrich August Reissiger 1809 – 83 errang sich später als Musiker einen Namen. Er war in Norwegen Organist und Militärkapellmeister, und manches seiner Lieder, z. B. „Der schlesische Zecher“, wird noch heute gesungen.
  2. Erst ca. 20 Jahre später wird das Leiden wieder bemerkbar, wie aus einem im Dresdner Ratsarchiv erhaltenen Zeugnis zu ersehen ist. (C XXII 85 e.)