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und abgerundet. „Will man aber im Triostil sicher und rund schreiben lernen, so nehme man sich z. B. die neuesten Trios von Reissiger zum Muster“, schreibt Schumann an anderer Stelle (Ges. Schriften I. Bd.). Reissiger, der sich an den Klassikern geschult, war nun aber doch ein viel zu solider Musiker, um sich etwa für seine Person mit den Gelegenheitsstücken zufrieden zu geben. So haben wir denn von ihm auch Kammermusik erhalten, in der bei gesunder, wenn auch nicht gerade leidenschaftsgewaltiger, thematischer Erfindung in den Durchführungsteilen eine gediegene, motivisch kontrapunktische Arbeit anzutreffen ist. Romantische Einflüsse sind dabei trotz der klassischen Faktur nicht ausgeschlossen, indem man z. B. Triolen, Sextolen, Synkopen usw. häufig begegnet. Wir können Reissiger, den Kammerkomponisten, vielleicht neben den seinerzeit sehr berühmten Onslow (1784 bis 1852) stellen; d. h. er war in den „gearbeiteten“ Sätzen ein tüchtiger Beethovenepigone. Heute sind seine Sachen ein an Konservatorien noch beliebtes Übungsmaterial.

Erwähnen müssen wir noch, daß Reissiger, wie beim Liede durch Pflege von Kammergesängen, so auch in der Instrumentalmusik durch Arbeiten für Bläsersolisten ein selteneres Gebiet bebaute. Von Haydn, Mozart, Weber waren Bläserkonzerte bekannt. Sein direkter Lehrer, P. v. Winter, schrieb als ehemaliger Mannheimer auch Bläserkammermusik. Reissiger wird aber mit Schumann so ungefähr der letzte Komponist gewesen sein, der ganze Konzerte oder Konzertszenen für Klarinette, Flöte oder Waldhorn geschrieben hat. Er hatte ja in seinem Orchester die bedeutendsten Vertreter für diese Instrumente (Kotte, Fürstenau, Haase, Lewy) und schrieb ihnen die Werke auf den Leib.

Werke Reissigers für ganzes Orchester haben wir schon durch Erwähnung der Opernouvertüren genannt. Wie bei einem in allen Sätteln gerechten Kapellmeister nicht anders zu erwarten, beherrschte Reissiger natürlich den Satz des klassischen Orchesters vollständig. Er hat aber eine kleine Entwicklung in der Instrumentierung von einer etwas dickeren, überladeneren zur einfach klar durchsichtigen, wie sie allen späteren Werken eignet, erlebt. Wir weisen später noch auf Reissigers feine Bemerkungen über Natur- und Ventilinstrumente hin, die seinem Orchester-Klangsinne Ehre machen. Formal sind die Opernvorspiele sogenannte Potpourriouvertüren mit effektsicherem Aufbau. Kraftvoll energische Stellen wechseln geschickt mit weichen Gesangslinien. Eine besondere Art Ouvertüren, die wohl den von Mendelssohn gepflegten Konzertouvertüren zu vergleichen ist, haben wir in den „Ouvertüren mit einem Motto“ vor uns. „Was mir wohl übrig bliebe, wenn alles von mir flieht, es bleibet noch die Liebe und mit ihr manches Lied“, ist z. B. das Motto einer „à Mr. Le Docteur Spohr“ gewidmeten Ouvertüre. Ein anderes Motto lautet: „Ich lasse Euch Eure Freude.“

Wir könnten, wenn wir nicht schon andere Beweise hätten, durch diese programmatischen Kompositionen auf das Mitgehen Reissigers mit der Moderne schließen. Die „Lieder ohne Worte“ für Klavier, die er genau wie Mendelssohn schrieb, belegen es ebenso.

Einen zeitlichen Erfolg hatte Reissiger mit seiner Sinfonie (der einzigen), die er für den vielgenannten Wiener Preisbewerb 1835 schrieb. Die Preisrichter hatten damals bekanntlich den Beweis erbracht, wie sehr sich