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Carl Gottlieb Reissiger.
Sein Leben
nebst einigen Beiträgen zur Geschichte des Konzertwesens in Dresden.




Wenn man sich mit dem Leben einzelner Künstler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der an musikalischen Individualitäten vielleicht reichsten Zeit der Musikgeschichte, eingehender befaßt, so wird einem ein Name immer wieder begegnen, der in das Leben aller hineingespielt hat, der C. G. Reissigers, und er ist es daher wert, daß man auch ihm eine nähere Betrachtung schenkt. Reissigers außerordentliche Popularität bei seinen Zeitgenossen kann nicht befremden, wenn man bedenkt, daß er ein Menschenalter hindurch das musikalische Oberhaupt von Dresden, einer Stadt, welche von jeher in der Musikgeschichte eine Rolle spielt, gewesen ist, also mit allen nur einigermaßen bedeutenderen Künstlern, die Dresden besuchten, Fühlung bekam; und daß er außerdem ein vielseitiger, fruchtbarer Komponist war, der schnell beim Publikum Eingang gefunden hatte. Wir haben aber sogar die Pflicht, uns mit ihm zu beschäftigen, denn er hat bisher das Unglück gehabt, in einseitiger Beleuchtung in der Musikgeschichte dazustehen, während die Geschichte jedem zu seinem ihm zukommenden Rechte zu verhelfen hat. Reissiger hat das tragische Schicksal gehabt, gerade auf sonniger Höhe in den Schatten eines Größeren, Richard Wagners, treten zu müssen, der seinem nicht immer gerechtfertigten Urteil, infolge seiner überragenden künstlerischen Größe, eine solche Macht verleihen konnte, daß die Welt alle anderen Urteile vergaß und Reissiger nur noch durch die Brille Richard Wagner gesehen hat. Wir werden finden, daß er, in freierem Lichte gesehen, auch ein verehrungswürdiger, deutscher Künstler war, der in seinem Amte nicht unwesentlich einer deutschen Sache mit zum Siege verhalf, der deutschen Oper im Kampfe mit der italienischen.

Der Mensch und reproduzierende Künstler Reissiger wird im ersten Teile der Arbeit hauptsächlich behandelt werden, während der zweite, später zu bearbeitende Teil ausschließlich den Werken gewidmet sein soll. Diese Disposition ist durch den Krieg veranlaßt, da von den ca. 600 Einzelkompositionen