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vielleicht ein Zeugnis dafür, daß der Schulbesuch sich auch nach der Entfernung abstufte.

Einen der wesentlichsten Punkte in den nun folgenden Streitigkeiten zwischen der Kirchschule und der Winkelschule bildeten die Singumgänge. Der Kinderlehrer Daniel Zorn zu Pieschen hielt mit den dortigen Kindern dieselben Singumgänge wie der Kirchschullehrer, er entzog diesem die Einnahme in Trachau und Pieschen. Diese Singumgänge waren eine alte und weitverbreitete Einrichtung. Es werden zu Kaditz besonders zwei, das Gregorisingen und das Neujahrssingen, erwähnt; in der Hoflößnitz soll außerdem am letzten Weinlesetage die Schuljugend vom sogenannten großen Simse in das Tal hinab gesungen haben. Ohne den Lehrer hielt am Johannistag die Jugend zu Kaditz und in den Dörfern seines Kirchspiels mit einer aus Kornblumen zusammengesetzten Pyramide und mit dem sogenannten „Johannistopf" einen Singumgang[1]. In der späteren Zeit wurden die Singumgänge als dem Ansehen des Lehrerstands wenig förderlich bekämpft und endlich aufgehoben, doch verschwanden sie erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Noch 1860 erscheint bei einer Regelung des Gehalts des Kirchschullehrers in dem neufestgesetzten Einkommen eine Ablösung von 25 Thalern 26 Groschen 2 Pfennigen jährlich für die alten Singumgänge.

Es ließ sich auf die Dauer nicht verhindern, daß die Schule zu Pieschen zu immer größerer Selbständigkeit gelangte; als der Nebenschullehrer Christian Helsinger endlich 1730 auf Veranstaltung des Superintendenten Löscher zu Pieschen und Trachau sogar zweimal in der Woche Betstunde hielt[2], war Pieschen aus der Kirchschule ausgeschieden. Auch die größeren Kinder von Trachau und Pieschen gingen damals, wie Beschwerden zeigen, nicht mehr nach Kaditz.


  1. Es sei hier eines merkwürdigen Unterschiedes zwischen den Dörfern der Kirchfahrt Kaditz und den Heidedörfern (samt Reichenberg und Wahnsdorf) gedacht. In diesen Dörfern war bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts das „Todaustreiben“ gebräuchlich, so wie heute noch Lätare die „Sommerbäume“ dort zahlreich auf den Höfen errichtet werden. In Kaditz fehlt alle und jede Überlieferung darüber, der Brauch scheint dort nicht bestanden zu haben, Kinder der Oberdörfer kamen vielmehr zum „Sommerbaumsingen“ herunter. Vielleicht ist, wie 1623 zu Neukirch (Pilk, S.38), das Todaustreiben zu Kaditz von der Obrigkeit verboten worden.
  2. Pfarr. A. K., S, no. 7: Lebenslauf Christian Helsingers.