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Ganz erklärlich war darum das Bestreben der Supernumerarii, eine der zehn Stellen zu erlangen. Das hatte indes in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts seine Schwierigkeiten, einmal weil der Andrang ziemlich groß war, dann weil, zuweilen wenigstens, überhaupt eine lange Zeit vergehen konnte, ehe eine Stelle frei wurde, endlich, weil die Barbiere so lange als möglich[1] solche Gnadenmeister außerhalb der Innung zu halten suchten, selbst wenn schon ein kurfürstlicher Befehl zur Aufnahme vorlag. Das trieb die Gnadenmeister dazu, vom Kurfürsten den weiteren Befehl zu erbitten, daß ihnen die Innung wenigstens die nächste frei werdende Stelle wirklich einräumen müsse. Diesen Befehl erreichten kurfürstliche Hofbarbiere in der That häufig, und manchem gelang es daraufhin eine frei werdende Stelle übernehmen zu können[2]. In


  1. 1691 suchen die Barbiere die Aufnahme des kurfürstlichen Leibbarbiers Elert Hohorst, wahrscheinlich durch Erfahrung belehrt, zurückzuweisen, weil, wenn sie ihn vollständig in die Innung aufnähmen, er dann seine Stellung am Hofe aufgeben und sie selbst nun in die Lage kommen würden, den neuen Hofbarbier auch wieder zulassen zu müssen; sie wollen ihm deshalb nur eine Supernumerarstelle zugestehen. Mußten sie ihn aufnehmen, so wäre, falls er wirklich sein Hofamt aufgab, allerdings die Zahl der Barbiere wieder um einen vermehrt worden, und sie hätten eine der alten Stellen eingehen lassen müssen, sollte die Zahl nicht auf die Dauer erhöht werden. Wenn die Furcht, daß der aufgenommene Hofbarbier seine Stellung am Hofe aufgeben werde, berechtigt war, so könnte der Grund wohl darin gesucht werden, daß entweder seine Werkstätte städtischen Kunden unbequem lag oder er durch den Hofdienst, besonders wenn er den Kurfürsten auf Reisen begleiten mußte, zu sehr in Anspruch genommen war, um nebenbei durch die Stadtpraxis viel erwerben zu können.
  2. Der kurfürstliche Hof- und Reisebarbier Joh. Zahn und der kurprinzliche Leibbarbier Samuel Meyer, deren Stellen laut eines kurfürstlichen Dekretes vom Jahre 1660 (es könnte ja allerdings früher schon ein ähnliches ergangen sein) bei einer oder der anderen Vakanz (RA Barb. 2 Bl. 9) eingerückt werden sollten, erlangten nach dem Meisterverzeichnis, das in dem Original der Ordnung von 1611 geführt wurde, bereits 1660 bez. 1661, sicher wenigstens – das geben die Barbiere selbst an – noch vor 1668 je eine erledigte Stelle. Der eine erhielt eine Stelle, deren Besitzer (Dettleff Lucht) ohne Erben gestorben war; später (RA Barb. 10b) wird er indes als Inhaber einer anderen Stelle (Ludwig) genannt; für den anderen war eine Werkstätte dadurch frei geworden, daß die Inhaberin, eine Witwe (Christian Luchts), aus dem Handwerk heiratete, wodurch sie gezwungen war, sie aufzugeben. Der schon genannte Hofbarbier Spörnlein (RA Barb. 4. Bl. 49 und 50) wandte sich, um seine Stelle vererben zu können, nochmals an den Kurfürsten und erreichte am 27. Februar 1680 von Johann Georg II. die Anweisung ans Handwerk, daß er, und zwar ohne Verfertigung eines Meisterstückes und ohne unnötige Kosten, von den Barbieren zu ihrem Mitmeister angenommen und ihm eine bestimmte, durch Tod „eröffnete“ Stelle zugeeignet werden solle. Der alte Besitzer dieser Stelle, Christian Lucht, war bereits 1661 gestorben, seine Stelle damals von dem Handwerk an den genannten Samuel Meyer gegeben worden. Obgleich die Barbiere dies erklären, sich auch Spörnlein aufzunehmen schon deshalb weigern weil er reformierter Konfession sei, so wird doch der kurfürstliche Befehl wiederholt und nochmals mit Abforderung der Innung gedroht. Die Barbiere erklären sich nun bereit, Spörnlein aufzunehmen, fordern aber, er solle sich unten anreihen – die Stelle war unter Meyer bereits aufgerückt –, da man in allen Innungen bei den Zusammenkünften nach dem Alter zu sitzen pflege, sich regelrecht anmelden und das Meisterstück machen. Aber auf erneuten kurfürstlichen Befehl vom 25. Januar 1683 und die Androhung, daß jeder Barbier 10 Gulden Strafe zahlen müsse, nehmen sie ihn ohne weiteres auf und tragen ihn 1683 in ihr Verzeichnis ein. Da Meyer nicht weichen will, „dulden“ die Barbiere beide. Nun ruht die Sache, bis Meyer stirbt. Da will sein Eidam Jac. Heinr. Weimar für dessen Stelle Meisterrecht erwerben. Dagegen wehrt sich natürlich Spörnlein seiner Kinder wegen. Die Barbierinnung scheint anfangs für Weimar zu sein, da sie Spörnlein nur als „Innungsverwandten“, d. h., wie derselbe den Ausdruck auch auffaßt, nur als Inhaber einer Supernumerarstelle bezeichnet, lehnt aber dann jede Entscheidung ab und überläßt den beiden Beteiligten, diese Frage zum Austrag zu bringen. Die Sache geht an den Kurfürsten, der entsprechend den früheren Entscheidungen am 28. März 1691 von neuem Spörnlein die alte Stelle zuspricht, aber anordnet, daß Weimar zum Examen zuzulassen sei und, wenn er bestanden, das Handwerk gleich dem verstorbenen Meyer fortsetzen dürfe. Weimar besteht, wird sofort in die Innung aufgenommen (1691 eingetragen) und hat auch das Glück, bald eine der zehn ordentlichen Stellen zu erlangen; denn schon in den Aufzählungen der zehn Barbiere von 1693 und 1694 ist Weimar eingereiht, wenn auch nach Spörnlein.