Seite:Heft12-14VereinGeschichteDresden1896.pdf/21

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei der man sich Rats erholte, wenn man sich im eigenen Hause keinen Rat mehr wußte.

Als die Bevölkerung der Städte zunahm und damit zugleich, weil das Handwerk wirklich einen goldenen Boden hatte, der Zudrang zu den Innungen wuchs, ja stärker wuchs, als der Bedarf ihrer Artikel, da fingen die Zunfteinrichtungen an, den erweiterten Verhältnissen nicht mehr zu entsprechen. Was in den älteren Zeiten vortrefflich paßte, ward jetzt den Zünften zum Verhängnis, und es tritt eine Entartung ein, an der zuletzt das Zunstwesen selbst zu Grunde ging.

Schon mit Beginn des 16. Jahrhunderts sehen wir die Innungen eine verhängnisvolle Richtung einschlagen. Doch treten keineswegs die Nachteile sofort so stark hervor, daß sie die Vorteile der alten Zunfteinrichtungen bald überwogen hätten. Noch im ganzen 16. Jahrhundert zeigt sich das Handwerk durchaus leistungsfähig, die Handwerksfertigkeit in hoher Entwickelung. Aber mit dem Ende desselben und im Laufe des 17. Jahrhunderts überwuchert die unheilvolle Entwickelung so vollständig, daß der Verfall des Zunftwesens rasch vorwärts schreitet, zumal die dreißigjährige Kriegszeit den Wohlstand Deutschlands zerrüttete, Handel und Gewerbe erlahmen ließ.

Zwei Momente sind es wohl hauptsächlich, die die Entwickelung des Zunftwesens jetzt in verhängnisvoller Weise beeinflußten und den Verfall der Zünfte herbeiführten. Das erste liegt in der Selbstsucht der Meister, die zu Wohlstand nicht durch tüchtige Arbeit, sondern durch Beseitigung unbequemer Konkurrenz zu gelangen suchten und dazu ihre alten Rechte und Privilegien ausnutzten. Der Innungszwang, so segensreich er früher gewirkt hatte, ward jetzt eine Waffe, mit der man die drohende Konkurrenz abzuwehren suchte, indem man die Aufnahme in die Innung mit allen jenen Mitteln erschwerte, durch die man dem Lehrling die Lust am Handwerk vertrieb, den Gesellen möglichst lange hinhielt, ehe man ihn zum Meisterrecht zuließ, den Ärmeren durch Erhöhung der Kosten gänzlich ausschloß, dem fremden Meister die Übersiedelung in die Stadt unmöglich zu machen suchte. Den eigenen Söhnen freilich, wie den Gesellen, die eines Meisters Tochter oder Witwe heiraten wollten, erleichterte man die Erwerbung des Meisterrechtes auf jede Weise, gewährte ihnen große Vorteile vor fremden Gesellen,