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Georgstollen gehoben wurden. Erst 1835 kam das Werk durch Einbauen zweier Wassersäulen-Maschinen[1] in den eigens dafür abgeteuften Silbersegener Richtschachte zur Vollendung, und das Bestehen des Clausthaler und Zellerfelder Bergbaues war nun wieder gesichert.

     Seit 1833 diente die Tiefe Wasserstrecke auch zum unterirdischen Transport eines Teils der auf[WS 1] dem Burgstätter Zuge gewonnenen Erze nach den Rosenhöfer Schächten, wo die Erze gehoben und in den damals dort gelegenen Pochwerken verarbeitet wurden. Durch künstliche Eindämmung sorgte man auf dieser Strecke für einen konstanten Wasserstand von etwa 1½ Meter. In einer Tiefe von ungefähr 400 Meter bewegte sich in jener Zeit auf schwer beladenen Schiffen der Erztransport von Schacht zu Schacht. Oben auf der Erde aber war es stiller geworden, durch die Straßen Clausthals zogen nicht mehr die langen Reihen der mit starken Hengsten bespannten Erzwagen, und nur ein kleiner Teil, den die Rosenhöfer Schächte nicht zu Tage fördern konnten, wurde mit Wagen nach den Pochwerken geschafft.

     Durch die Anlage der Tiefen Wasserstrecke war es möglich geworden, mit dem Abbau der Erze noch etwa 200 Meter weiter in die Tiefe zu dringen. Damit wuchs aber auch wieder die Schwierigkeit der Wasserbewältigung, namentlich konnte man in Flutzeiten der Grundwasser kaum noch mit Zuhilfenahme aller Kräfte Herr werden. Dem Georgstollen wurden so große Wassermengen zugeführt, daß er fast an der Grenze seiner Tragfähigkeit angelangt war. So beschloß man denn, die Tiefe Wasserstrecke zu Tage auszutreiben.

     Aber während man bis dahin immer noch in Erwägung gezogen hatte, den Stollen von Clausthal ab in Möglichst gerader Linie nach Lasfelde hin zu treiben, kam man 1850 auf Grund der sorgfältig angestellten Erwägungen und markscheiderischen Messungen zu dme Entschlusse, den neuen Stollen bis Gittelde am Westrande des Harzes 190 Meter über dem Spiegel der Nordsee anzusetzen und ihn von dort aus, damit er möglichst vielen Bauen nutzbar werde, durch die Grubenfelder der „Hilfe Gottes“ und der übrigen Gruben des Silbernaaler Reviers nach dem Schachte der Grube „Ernst August“ bei Wildemann und weiter am Haus Sachsener Schachte vorbei bis an die schiffbare Tiefe Wasserstrecke am Schreibfeder-Schachte bei Zellerfeld heranzutreiben.

     Den Ernst-August-Stollen, wie der neue Stollen zu Ehren des regierenden Königs genannt wurde, ist in der Zeit vom 21. Juli 1851 bis 22. Juni 1864, also in 12 Jahren und 11 Monaten fertiggestellt, nicht viel über die Hälfte der veranschlagten Zeitdauer. Daß er in so verhältnismäßig kurzer Zeit vollendet werden konnte, findet seine Erklärung darin, daß von 10 Angriffspunkten aus gleichzeitig gearbeitet und durch schnellen Schichtenwechsel die Zeit ausgekauft wurde. Von großem Vorteile war es auch, daß die alten Licht-Schächte des Georg-Stollens teilweise benutzt werden konnten. Zum Heraussprengen des festen Gesteins haben etwa anderthalb Millionen Löcher gebohrt und 2000 Zentner Pulver verschossen werden müssen. Könnte man die Löcher aneinanderreihen, so würde ihre Gesamtlänge 70 deutsche Meilen betragen.

     Der Stollen hat ein gleichmäßiges Gefälle von 1:1500, d.h. von 6⅔ Zentimeter auf 100 Meter. Seine Breite beträgt im Lichten 1,68 Meter und seine höhe 2,50 Meter. Die Gesamtkosten betrugen 1.700.000 Mark. Bei seiner Wesentlichen Vollendung im Juni 1864 war der Ernst-August-Stollen bereits 22.690 Meter oder drei deutsche Meilen lang. Später wurden noch verschiedene Nebenstellen nach der von seinem Hauptlauf nicht berührten Gruben (Bockswiese, Lautenthal) hergestellt, so daß er sämtliche Oberharzer Gruben mit einander verbindet und eine Länge von 30.260 Meter oder 4 deutschen Meilen besitzt. Somit ist der Ernst-August-Stollen der zweitlängste Tunnel der Erde. (Der längste Tunnel ist bekanntlich der „Schlüsselstollen“ im Mansfeldischen, der eine Länge von 31.060 Meter hat.)

     Auf den Ernst-August-Stollen wurden die Wasser aller Grubenreviere gehoben, die mit den verbrauchten Kraftwassern der unterirdischen Maschinen nach Gittelde abfließen. Mit dem Tieferwerden der Gruben hat man 230 Meter unter der Tiefen Wasserstrecke des Ernst-August-Stollens noch eine Tiefste Wasserstrecke hergestellt, deren Sohle 620 Meter unter Tage und 35 Meter unter dem Spiegel der Nordsee liegt. Von dieser wurde das Wasser durch zwei Wassersäulenmaschinen, welche 30 Meter unter dem Meeresspiegel im Marienschachte eingebaut waren, auf den Ernst-August-Stollen gehoben. Aus den noch tiefer, bis zu 370 Meter unter dem Ernst-August-Stollen liegenden Bauen holte eine kleine Wassersäulenmaschine die Grundwasser bis auf die tiefste Wasserstrecke.

     Die unterirdische Schiffahrt blieb auch nach Vollendung des Ernst-August-Stollens bestehen und vermittelte seit 1878 den gesamten Transport der in den Tiefbauen gewonnenen Erze nach dem 1876 vollendeten Ottilaeschacht, dem Hauptförderschacht, wo sie mittels Dampfkraft, nachher durch elektrische Kraft gehoben und der Aufbereitungsanstalt übergeben wurden. Später trat an die Stelle der Schiffahrt eine elektrische Grubenbahn, welche die Erzförderung besorgte.

     Der berühmte Ingenieur Franz Rziha[WS 2], der selbst viele schwierige Tunnelbauten ausgeführt hat, nennt den Ernst-August-Stollen eine „Zierde, mustergültig auf dem vielumfassenden Gebiete der Technik.“ Dieses Lob gebührt in erster Linie der Genauigkeit und Sicherheit der Markschweidekunst, ohne deren Hilfe der Stollen- und Streckenbau, wie überhaupt der Bergbau in sachgemäßer Weise nicht geführt werden kann. Das größte

Anmerkungen (Wikisource)

  1. doppeltes auf weggelassen
  2. Franz von Rziha
  1. Die interessante, für den Bergbau eigentümliche Wassersäulenmaschine von Winterschmidt 1748 im Harze erfunden, ist äußerlich den gewöhnlichen Dampfmaschinen nicht unähnlich. Aber statt des Dampfes drückt hier das Wasser den Kolben im Treibzylinder fort.