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Die Harzfichte.
(Nach dem Wirbelsturm).
Von Adolf Ey.


     Erwachsen bin ich droben, weiß nicht wie,
Am Bergabsturz. Der Sturmwind kam und schrie
Und riß an mir. Ich wußte nicht wohin;
Doch stand ich fest und bin nun was ich bin.

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     Erwachsen bin ich aus dem Felsenspalt,

Und mit den Wurzeln hab’ ich mich gekrallt
Um den Granit. Ich tastete und schob
Die Faser vor, bis ich den Stein umwob.

     Und ob der Schlossen Schauer mich erschreckt,

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Und ob der Schnee mich klastertief bedeckt,

Und Wasser aufgewühlt den magern Grund,
Ich hielt den Wipfel hoch, im Kern gesund.

     Was kümmert’s mich, daß mir in wilder Hast
Das Wetter Nadeln abriß oder Ast,

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Nur Fetzen hat es mir vom Leib geraubt.

Fest stand ich, ungebrochen, stolz das Haupt.

     Bis knurrend wie ein Hund er sich geschert,
Hab’ ich im Streite mich des Feindes erwehrt;
Und war er fort, die Bergwelt vor mir lag,

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Noch schöner als der siebte Schöpfungstag.


     Nun ist’s zu End’! Unheimlich kam da was,
Gewalt’ger als der Sturm mit seinem Haß,
Urplötzlich, unentrinnbar kam der Graus,
Und mit den Wurzeln riß er mich heraus.

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     Da lieg’ ich auf dem Grund, dem ich entflieg;

Doch ungebrochen, ganz. Ich hab’ den Sieg
Und balle vor dem Sturm, der mich umbraust,
Den Stein, auf dem ich wuchs, wie eine Faust.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1933. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1932, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1933_061.png&oldid=- (Version vom 11.4.2019)