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Ein Wort von Thomas Carlyle.


     Zwei Menschen ehre ich und keinen dritten. Erstens den sich mühenden Arbeiter, der mit von der Erde geschaffenen Werkzeugen mühsam die Erde besiegt und sie zum Eigentum der Menschen macht. Ehrwürdig ist mir die harte, verkrümmte, rauhe Hand, worin nichtsdestoweniger eine unauslöslich-königliche Majestät liegt, denn sie führt das Zepter dieses Planeten. Ehrwürdig ist auch das rauhe, verwitterte, beschmutzte Antlitz mit seiner schlichten Intelligenz, denn es ist das Gesicht eines Menschen, welcher lebt, wie ein Mensch leben muß. Ja, um so ehrwürdiger bist Du mir wegen Deiner Rauheit und eben weil wir Dich sowohl bemitleiden als lieben müssen! Schwer beladener Bruder! Für uns ward Dein Rücken so gebeugt, für uns wurden Deine geraden Glieder und Finger so entstellt. Du warst unser Rekrut, auf welchen das Los fiel, und indem Du unsere Schlachten kämpftest, wurdest Du zum Krüppel. Denn auch in Dir lag eine gottgeschaffene Form, aber sie sollte nicht entfaltet werden. Eingehüllt sollte sie bleiben in die Dichten Anhängsel der Arbeit und Dein Körper wie Deine Seele die Freiheit nicht kennen lernen. Und doch arbeite zu, arbeite zu! Du bist in Deiner Pflicht, möge außerhalb derselben sein, wer da wolle; Du arbeitest um das durchaus Unentbehrliche, um das tägliche Brot.

     Einen zweiten Mann ehre ich und noch höher – den, welcher für das geistig Unentbehrliche arbeitet, nicht für das tägliche Brot, sondern für das Brot des Lebens. Ist nicht auch er in seiner Pflicht, indem er nach innerer Harmonie strebt und diese durch Wort und Tat durch all seine äußeren Bestrebungen, mögen sie hoch oder tief sein, offenbart? Am höchsten steht er, wenn sein äußeres und sein inneres Streben eins ist, wenn wir ihn Künstler nennen können, nicht bloß irdischen Arbeiter, sondern begeisterten Denker, der mit himmelgeschaffenen Werkzeugen uns den Himmel erobert! Wenn der Arme und Bescheidene arbeitet, damit wir Nahrung haben, muß dann nicht der Hohe und Stolzbegeisterte für ihn wieder arbeiten, damit er Licht, Leitung, Freiheit und Unsterblichkeit habe? – Diese zwei in allen ihren Graden und Abstufungen ehre ich. Alles andere ist Staub, und Spreu, die der Wind wehen kann, wohin er will.

     Unaussprechlich rührend jedoch ist es, wenn ich beide Würden vereinigt finde und wenn Der, der äußerlich für die niedrigsten der menschlichen Bedürfnisse arbeiten muß, innerlich auch für die höchsten arbeitet. Etwas Erhabeneres auf dieser Welt kenne ich nicht, als einen Heiligen, der den Boden pflügt, wenn jetzt irgendwo noch ein solcher anzutreffen wäre. Ein solchor wird Dich zurückführen bis nach Nazareth. Du wirst den Glanz des Himmels aus den tiefsten Tiefen der Erde aufsteigen sehen, gleich einem Licht, welches in großer Finsternis scheint.