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     Das Gespräch war zu Ende. Der Hausherr war wieder eingetreten, und da er sein Töchterchen in den Armen seiner jungen Frau erblickte, lächelte er zufrieden.

     „Aber jetzt komm“, sagte er heiter, indem er der letzteren seine Hand entgegenstreckte, „und nimm als Herrin Besitz von allen Räumen dieses Hauses!“

     Und sie gingen miteinander fort; durch die Zimmer des unteren Hauses, durch Küche und Keller, dann die breite Treppe hinauf in einen großen Saal und in die kleineren Stuben und Kammern, die nach beiden Seiten der Treppe auf den Korridor hinausgingen.

     Der Abend dunkelte schon; die junge Frau hing immer schwerer an dem Arm ihres Mannes; es war fast, als sei mit jeder Tür, die sich vor ihr geöffnet, eine neue Last auf ihre Schultern gefallen; immer einsilbiger wurden seine froh hervorströmenden Worte erwidert. Endlich, da sie vor der Tür seines Arbeitszimmers standen, schwieg auch er und hob den schönen Kopf zu sich empor, der stumm an seiner Schulter lehnte.

     „Was ist dir, Ines?“ sagte er, „du freust dich nicht!“

     „O doch, ich freue mich!“

     „So komm!“

     Als er die Tür geöffnet hatte, schien ihnen ein mildes Licht entgegen. Durch das westliche Fenster leuchtete der Schein des Abendgoldes, das drüben jenseits der Büsche des kleinen Gartens stand. – In diesem Lichte blickte das schöne Bild der Toten von der Wand herab; darunter auf dem matten Gold des Rahmens lag wie glühend die frische, rote Rose.

     Die junge Frau griff unwillkürlich mit der Hand nach ihrem Herzen und starrte sprachlos auf das süße, lebensvolle Bild. Aber schon hatten die Arme ihres Mannes sie fest umfangen.

     „Sie war einst mein Glück“, sagte er; „sei du es jetzt!“

     Sie nickte, aber sie schwieg und rang nach Atem. Ach, diese Tote lebte noch, und für sie beide war doch nicht Raum in einem Hause.

     Wie zuvor, da Nesi hier gewesen, tönte jetzt wieder aus dem großen, zu Norden gelegenen Garten, die mächtige Stimme eines Hundes.

     Mit sanfter Hand wurde die junge Frau von ihrem Gatten an das dort hinausliegende Fenster geführt. „Sieh einmal hier hinab!“ sagte er.

     Drunten auf dem Steige, der um den großen Rasen führte, laß ein schwarzer Neufundländer; vor ihm stand Nesi und beschrieb mit einer ihrer schwarzen Flechten einen immer engeren Kreis um seine Nase. Dann warf der Hund den Kopf zurück und bellte, und Nesi lachte und begann das Spiel von neuem.

     Auch der Vater, der diesem kindischen Treiben zusah, mußte lächeln, aber die junge Frau an seiner Seite lächelte nicht, und wie eine trübe Wolke flog es über ihn hin. „Wenn es die Mutter wäre!“ dachte er; laut aber sagte er: „Das ist unser Nero, den mußt du auch noch kennenlernen, Ines; der und Nesi sind gute Kameraden, sogar vor ihren Puppenwagen läßt sich das Ungeheuer spannen.“

     Sie blickte zu ihm auf. „Hier ist so viel, Rudolf,“ sagte sie wie zerstreut; „wenn ich mich nur durchfinde!“

     „Ines, du träumst! Wir und das Kind, der Hausstand ist ja so klein wie möglich.“

     „Wie möglich?“ wiederholte sie tonlos, und ihre Augen folgten dem Kinde, das jetzt mit dem Hunde um den Rasen sagte; dann plötzlich, wie in Angst zu ihrem Manne emporsehend, schlang sie die Arme um seinen Hals und bat: „Halte mich fest, hilf mir! Mir ist so schwer.“

*

     Wochen, Monate waren vergangen. – Die Befürchtungen der jungen Frau schienen sich




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