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und die grünen Moosinseln zwischen dem Schnee blinzelten verängstigt gegen verkrustete Schneehügel.

Es war noch nichts mit dem Frühling.

     Das Auto blieb noch ein paarmal stecken. Aber Dann schnurrte es glatt und lustig durch die Tannen. Der Schnee sackte zusammen, der Boden unter den Fichten wachte grün auf und die Moorweidenkätzchen kriegten silberne Ränder.

     An einem letzten Märzmorgen hob sich der Moormann halben Leibes aus dem Pfuhl, denn die Sonne lag breit auf dem Moore. Er stützte die haarigen Arme auf den Uferrand, schnäuzte sich den Schlamm aus der Nase und schnupperte in dem milden Wind. Da wehte ihm ein Prieslein gelben Staubes in die Nase, kitzelte seine Schleimhäute, so daß er kräftig in den Morgen nieste. Da sah er, daß der Staub von den blühenden Moorseggen kam. Und wenn die blühten, so wurde es gewiß und wahrhaftig Frühling. Er knickte eine Segge vom Uferrand und sog ihren mehlig-süßen Grasduft ein, schmunzelte mit dem ganzen braunen Gesicht, patschte heraus, streckte sich in die Heide und griente in den Himmel. Als er heraus war, sprang der Himmel

blau in den Moorpfuhl und badete sich darin.

Am Hai.

     Von den Baumstucken und gebleichten Wurzelgliedern des Kahlschlages hebt sich silbergraues Licht und zittert bis an die Wände der Fichten. Da wird es zurückgefcheucht vom Ernst der Wilden Männer, die mit wehenden Bärten und Baumstrünken in den Händen durch die Tannen tappen und keinen Spaß verstehen. Auf dem Hai aber kobolzen die Wurzelmännchen und Stuckengnomen, freuen sich der warmen Aprilsonne und schnuppern am Duft der Fingerhutrosetten und Grasspitzen. Wandernde Krammetsvögel stoßen dünne Pfiffe aus und heben sich steil in den Wind. Ein Buchfink kriegt beinahe seinen Vers richtig heraus, bloß der Schwanz des Liedchens bricht immer noch ab, worüber der Zaunkönig höhnisch prahlt. Oben auf dem Felstrumm aber steht eine weiße Birke. Die schwenkt den rötlichen Schleier grüßend gegen den Frühling.

     Ich sitze auf dem Stucken am Felstrumm, und während meine Augen nachzeichnend um die Formen der gebleichten trünke auf dem Hai und der wehenden Baumriesen am Saume des Waldes kreisen, bin ich ganz von Silbergrau und Düstergrün, nur von Silbergrau und Düstergrün erfüllt.

     Plötzlich braust der Tann schwer auf. Er siebt weiß über Wald und Hai, wird dunkler, schüttet. Dicht an den Fels gedrückt, warte ich, daß der Schauer vorübergehe. Aber es wird immer finsterer, saust eisiger. Da zieh ich es vor, heimzukehren, bevor der Schneekerl die Wegemale des alten Kaiserweges zudeckt.

Die Wasseramseln.

     Ich habe Verlangen, in dem schweren Fichtenernst etwas Lustiges zu sehen. Die Protzen, die gestern auf dem Brocken so widerwärtig schlemmten und mit ihrer forcierten Blödheit den Wirtschaftsraum verstänkerten, haben mir zudem die Galle ins Blut getrieben. Ja, Lustiges will ich sehen, ein unbefangenes heiteres Spiel, das aus Lust am Sein geschieht, nicht nach Wirkung schielt, sondern glückliches Klirren der goldenen Saite Leben ist.

     So bin ich über Altenau hinuntergestiegen, habe mich an der wilden Leidenschaft der Bergwasser ergötzt, am Summen eines blühenden Salweidenbusches, an den fernen Ebenen, die im Sonnenschein zu den Harzhöhen herauflachen, an der grünen Glut des Mooses, mit den Sonnenstrahlen spielten. Aber das Schönste habe ich noch vor mir. Und das sind die Wasseramseln an der oberen Oker. Die pfeilen wie dunkelbraune Schatten über den Strom des Wassers, sitzen, als wären sie es gar nicht gewesen, mit frisch aus der Lade genommener weißer Hemdbrust auf den Geröllsteinen des Flußbettes, knicksen eins, zwei-, dreimal kokett lassen zierlich etwas Weißes fallen, zwitschern eine knappe krause Strophe in dem Lärm der schäumenden Welle, stecken plötzlich die Beine nach hinten, und schießen kopfüber in den gläsernen Wassersturz. Sitzen wieder auf den Steinen, knicksen, zwitschern, pfeilen schwirrend davon, jagen sich und werden nicht müde, das heitere Spiel zu wiederholen, das Hunger und Freude am Sein antreiben.

     Die Tannen stehen und wiegen, und es wird plötzlich ganz still und traurig, wenn die Wasseramseln nicht mehr da sind. Es hilft nichts, man muß hinterdrein, flußauf, flußab, immer hinterdrein. Und wer vorübergeht und weiß um die lustigen Kerlchen, die den jubelnden Frühling über das Wasser tragen, der läßt sie nicht aus den Augen und sucht, bergansteigend, nach ihnen an Orten,

wo sie grundfäßlich nicht verkehren.

Die Buche.

     Weiß Gott, wie sie in dies Gewoge der hohen Fichtenwälder gekommen ist, wie sie wachsen und groß werden konnte im ewigen Rauschen der dunkelgrünen Wellen. Wer hat um sie gewußt, bevor der Wind sich an den Hang stürzte und einige hundert Tannen warf. Aber als der Windbruch aufgeräumt war, stand sie in schöner Ebenmäßigkeit da.

     Nun wird es Frühling unten in den Tälern. Da schwenken die Birken grüne Schleier, da blühen die Schlehhecken weißen Schnee, alle Quellgründe leuchten gelb von Schlüsselblumen und die Schwestern Buchen unten in den Wäldern kriegen einen lichten Schein auf den braunen Scheiteln.