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des Herzogs Christian von Braunschweig stand – „Kerls, greift zu!“

     Sie wollten an den Gaul, da holte der Junge aus, und einer von den Knechten ließ den erhobenen Arm wie gelähmt mit einem Fluche niederfallen.

     Im Nu stürzten sich etliche auf den jungen Fuhrmann. Sie rissen ihn zu Boden.

     „Die Hosen runter!“ befahl Hillefeld, und nu Frischwachs!“

     Keiner wollte da zurückstehen. Sie drängten sich um den Unglücklichen. Jeder kam daran. Das klatschte. Zuletzt floß Blut; denn mancher schlug mit der Säbelklinge, mit des Jungen eigenen Peitschenstiel, mit Rute und Stock.

     Der Arme brüllte vor Schmerz. Zuletzt winselte er nur noch, dann war er ganz still, totenstill.

     Hillefeld befahl den Gaul auszuspannen, und die Rotte zog damit durch die Freiheit nach Osterode zurück, wo sie ihr Quartier aufgeschlagen hatte.

     Es war nur gut, daß Bastel Löwe, den sie da für tot liegen ließen, nicht zum ersten Male vergerbt war. Sein Vater, ein Harzer Bergfuhrherr, hatte noch, wie der alte Bergmann Luther, den Stock als erstes Erziehungsprinzip. Auch Bastel war nicht selten, wie der junge Martin, an einem Tage siebzehnmal mit Kuten gestrichen. Da bildete sich denn eine feste Haut, ein Leder, das den unmenschlichen Hieben der Reiterknechte zwar zuletzt doch nachgegeben hatte, aber tot war Bastel nicht.

     Nach einer Weile erwachte er aus seinem Schwächezustand. Er suchte sich zu setzen, gab es aber jammernd sofort wieder auf. Sein Wallach war fort. Was machen?

     An dem Hohlweg, der von der Freiheit, Osterodes Vorstadt auf die Berge hinaufführte, floß ein klares Wässerchen. Er schleppte sich dahin, wischte sich das Blut ab und fühlte seine geschwollenen brennenden Schenkel. Das tat wohl. Was an der Lederhose noch heil war, zog er hoch. Langsam und stöhnend stieg er den Berg hinauf.

     Spät abends kam er nach Clausthal. Oben an der Osteröderstraße, dem Schützenhause schräg gegenüber, hatte der alte Löwe Haus und Pferdestall. Dem Jungen graute. Er war ja schon zwanzig Jahre alt, stark und groß, so seine sechs Fuß drei Zoll. Aber den alten saß noch immer das Handgelenk lose. Was sollte er sagen, wenn er ohne den Wallach nach Hause käme? Der jähzornige Fuhrherr ließ ihn garnicht ausreden. Wirr im Kopf von der Prügel, von dem mühseligen Marsch und nicht zum wenigsten vom Denken, trat der Junge in die Stube.

     „’n Omd, Voter!“

     ’s is ju all stickedunkel,“ brummte der Alte. „Nischt passiert? Wu hoste dn Wallach?“

     „Dr Wallach hot – hot – ge – fuhlt!“

     Ja, wie war er darauf gekommen? Na, dies war so gut, wie wenn er in seiner langsamen Art angefangen hätte, von Hillefeld und seinen Reitern zu berichten. Weit wäre er damit nicht gekommen. So viel Geduld hatte der Alte nicht.

     „Wos? Biste besoffen oder biste verrickt?“

     „Iche bin nichtern.“

     „Wu is dr Wallach, frog ich.“

     „In Osterud, Voter!“

     „Bei wan?“

     „Bei dan verfluchten Hillefald!“

     „Bengel, Du liegst!“

     Der Alte griff nach seinem Stocke.

     „De Hus runner!“

     „Do!“ sagte der Junge. „Nu sah har sich dan H ...... ahn!“

     Der Alte fuhr zurück. Das war ihm sogar zu bunt.

     „Mei Fläsch un Blut! War hot dr dos getahn?“

     Stockend erzählte der Junge, wie Hillefeld und seine Reiter ihn auf der Rückfahrt von Osterode gestellt, ihn verhauen und den Wallach mit sich genommen hätten.

     Der Alte war außer sich vor Wut. Gegen seine Gewohnheit sprach er sanft mit seinem Sohn. Mutter mußte mit Öl den Jungen einreiben und ihm Brot und frische Schmorwurst auftragen, auch einen Buttel Dünnbier. Den Schnapphahn, den Wegelagerer, den Pferdedieb, den Bluthund, den Hillefeld wollte er gleich morgen beim Kanthagen kriegen. Der sollte den alten Bastel Löwe kennen lernen.

     „Braver Bastel! Verhalte Dich nur still! Freue Dich, wenn der Hillefeld nicht zu Dir von Osterode heraufkommt! Noch saß man ja sicher in Clausthal. Was für Kriegsvolk hätte sich auf die rauhen Berge, in die finstern Tannenwälder gewagt! Was war da oben zu holen? Gras und Tannenzapfen, aber auch – Silber und Blei.

     Da unten im Lande ging’s schon im Jahre 1623 toll her. Osterode hatte den Übermut des Krieges erfahren. Wollte da am 4. des Brachmonats ein Korporal, namens Kasper Pflug, vom Regiment Herzog Friedrichs von Sachsen-Altenburg, der unter Herzog Christian von Braunschweig über 1000 Mann das Amt eines Obristen verwaltete, aus Osterode nach dem Lager zurückreiten. Er kam aber mit der Wache am Tore in Wortwechsel und sogar in Schlägerei. Der Korporal brachte es bei seinem Obristen an, als ob er von der Osteroder Wache angefahren, gestoßen und geschlagen sei; ja