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versuchten nun mit allem Nachdruck den Weg nach Ungarn zu erzwingen.

     Anfang Mai aber wurde alle Welt durch ein folgenschweres Ereignis überrascht. In aller Stille waren in Westgalizien von uns viele Truppen angesammelt, am 1. Mai begann ein heftiger Angriff, und dann wurden die als uneinnehmbar geltenden Stellungen der Russen am Dunajec gestürmt, und doch war es nur der Anfang eines glänzenden Siegeszuges, es gab kein Halten mehr. Vom Dunajec ging es zur Wisloka, von da zum San, Przemysl wurde wieder frei. Durch dieses unwiderstehliche Vordringen wurde auch die ganze Karpathenfront in Bewegung gebracht, und auch vom Süden stießen Österreicher und Deutsche kräftig nach. Die Karpathen wurden frei, aber immer weiter zurück ging es mit dem Feinde. Mit Lembergs Entsetzung war Galizien bis auf wenige Teile vom Feinde befreit. Nun konnte sich die russische Front in Polen aud nicht mehr halten. Waren Mai und Juni mit der Wiedereroberung Galiziens vergangen, so folgte im Juli und August eine mindestens ebenso glorreiche Zeit für uns in Polen. Die starken Festungslinien wurden von dem Gegner entweder geräumt oder mit großen Verlusten noch eine kleine Zeit gehalten. Die stärkste Beute machten wir nicht, wie wir erwartet hatten, in Warschau, sondern in Koryno und Nowo-Georgiewsk. Nach Aufgabe der Weichsellinie konnte auch die Buglinie nicht behauptet werden. Seit März drangen die Deutschen auch in die baltischen Ostseeprovinzen vor, und so erstreckt sich unsere Front von der Düna bis nach Bessarabien, noch ist das gewaltige Ringen nicht abgeschlossen, aber das dürfte nun wohl auch einem ängstlichen Gemüte klar geworden sein: Der Sieg über die Massen des Ostens ist uns sicher, auch wenn der Zar selbst die Oberleitung eine Zeilang in die Hand genommen hat.


Kämpfe im Westen.


     Nach dem Fall von Antwerpen am 9. Oktober glaubte man allgemein, daß die Kämpfe an der Aisne infolge der Freiwerdung der Belagerungstruppen bald zu Ende kommen würden. Aber die 12 Monate, die seitdem vergangen sind, haben immer noch keine wesentliche Änderung gebracht. Die Deutschen haben zwar noch im Oktober 1914 Ostende besetzt und bald darauf Dixmuiden gestürmt, seitdem jedoch haben wir im Westen einen Stellungskrieg, wie er hinsichtlich der örtlichen und zeitlichen Ausdehnung noch nie in der Weltgeschichte zu verzeichnen war. Es handelt sich nun aber nicht etwa um ein einfaches Gegenüberliegen in Schützengräben, sondern in Wirklichkeit ist es ein fortwährendes Hin- und Herwogen an einzelnen Punkten oder in ganzen Landschaften. Jedes Kämpfen ist mit Einbuße an Menschenleben verbunden. Und dabei erfordert der Stellungskampf weit mehr Nervenkraft als eine offene Feldschlacht. Es hat mancher Kämpfer geschrieben, daß er das tatkräftige Vordringen in Galizien trotz Mangel an Essen und Trinken und der fortwährenden Märsche wie eine Erlösung empfunden habe nach den vielen Monaten im Schützengraben. Warum aber dauert und dauert der Schützengrabenkrieg so lange? Nun, mit können uns natürlich nur in der Verteidigung halten, nachdem so viele Truppen nach Rußland abgegeben sind. Die Franzosen, Belgier und Engländer aber haben es nicht fertiggebracht, die stellenweise recht dünnen Linien zu durchbrechen. An ernsthaften Versuchen haben sie es wahrlich nicht fehlen lassen. Der erste größere Versuch wurde in der Weihnachtszeit gemacht. Besonders in der Gegend von Soissons hofften die Franzosen auf einen glücklichen Durchbruch, sie brachten uns auch durch ihre starke artilleristische Vorbereitung nicht unerhebliche Verluste bei, aber schließlich endete Mitte Januar diese großartig angekündigte Offensive Joffres mit einem deutschen Gegenangriff, wobei die Franzosen wichtige Höhen nördlich der Aisne verloren, neben einem Gesamtverlust von etwa 30000 Mann. Auf unseren Sieg bei Craonne am 26. und 27. Januar, wo sich die Franzosen tapfer zur Wehr setzten, folgt dann die Winterschlacht in der Champagne von Mitte Februar bis Mitte März. Auf eine Strecke von 8 Kilometern hatten die Feinde dort 6 Armeekorps angesammelt, das heißt zur Verteidigung von 1 Meter über 20 Soldaten. Wir hatten dort anfangs nur 2 schwache Divisionen, also höchstens den sechsten Teil. Bei einem solch heftigen Angriff waren unsere Verluste freilich größer als in der etwa gleichzeitigen Winterschlacht in Masuren, aber die feindlichen Verluste waren mindestens dreimal so stark als unsere. Als dann Anfang Mai unser Durchbruch am Dunajec gelungen war, wollten die Feinde im Westen ein Gegenstück dazu liefern. Sie wählten dazu die Gegend von Ärras. Dort konnten sie das Gelände geschickt ausnutzen. Furchtbar haben unsere Truppen dort aushalten müssen, Carency, Souchez und Lorettohöhe sind und sehr bekannte Namen geworden. Die Feinde haben dort zwar Raum gewonnen, aber durch kommen sie nicht. Erwähnt seien noch die keineswegs unbedeutenden Kämpfe bei Ypern im April und Mai und die zahlreichen Gefechte in den Vogesen, wo mit wechfelndem Erfolge wiederholt heiß gekämpft wurde. Den Sommer war es überal verhältnismäßig still, da aber setzte im Herbste eine neue Offensive Joffres ein, die alle vorhergehenden an Heftigkeit noch übertraf. 70 Stunden lang tobte ein Artilleriefeuer, wie es die Weltgeschichte sonst nicht aufzuweisen hat, und die Feinde setzten bei La Bassee und besonders in der Champagne in sehr wütendem Sturme ein. Es sollte diesmal unter allen Umständen Frankreich vom Feinde gesäubert werden. Und die deutschen Verluste waren wohl niemals so stark gewesen wie am 25. und 26. September, die erste deutsche Stellung in der Champagne ist von den Franzosen genommen worden, und auch bei La Bassee gewann der Gegner Raum. Aber der Durchbruch ist wiederum nicht gelungen. Und welche Riesenverluste für den Feind! Die Oberste Heeresleitung, die wahrlich nicht zu übertreiben pflegt, schätzt die Gesamtverluste der Franzosen auf 130000 und die der Engländer auf 60000 Mann.

     Wir aber können unseren Feldgrauen, die nun schon über ein Jahr eine eherne Mauer in Frankreich und Belgien bilden, nicht dankhar genug sein für die schier übermenschlichen Anstrengungen und für das todesmutige Ausharren in Wind und Wetter und bei dem oft furchtbaren Anstürmen der Feinde.


Kämpfe an den Dardanellen.


     Nachdem die Türkei Herbst 1914 offen auf unsere Seite getreten war, haben die Engländer und Franzosen mit einem Vorstoße gegen Konstantinopel bis zum Frühjahr 1915 gezögert, und vielleicht haben sie auch da erst auf Rußlands Drängen hin gehandelt; sie wußten wohl, wie gut die Dardanellen von den Türken unter deutscher Mithilfe verschanzt und verteidigt wurden. – Am 18. März verloren sie denn auch beim ersten Versuche, in die Meerenge einzudringen, mehrere Panzerschiffe. Sechs Wochen später landeten sie dann mit starker Truppenmacht auf der Halbinsel Gallipoli, aber wenn sich da auch heute noch ein Teil ihrer Truppen dort hält, einen weiteren Erfolg baben sie nicht errungen, sie haben vielmehr große Einbuße an Menschen und Schiffen erlitten. Auch die Russen können von Norden her nicht an die türkische Hauptstadt herankommen. Freiherr von der Goltz erklärte von vornherein Konstantinopel für uneinnehmbar, und wir dürfen auf diese Weise bauen.