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Durch!
Skizze von Arthur Babillotte.


     Es war der jüngste Leutnant in der Kompagnie und eigentlich ein Muttersöhnden. Eine Haut hatte er, weiß wie Milch, und ein paar große, ängstliche Augen, und Hände, so schmal wie ein Edelfräulein sie hat, und zart wie Pfirsichflaum. Die Kameraden hatten ihn oft gehänselt, und wenn sein Kompagniechef, Hauptmann Quitzow, guter Laune war, nahm er ihn mit ins Kasino und hätschelte ihn, wie einen kleinen, süßen Jungen. Der Oberleutnant hatte ihm gleich am ersten Tage den Spitznamen Milchgesicht verliehen; seitdem hieß er nicht anders.

     Jetzt stand er bei Nomeny; ein schweres Gefecht war im Gange.

     Er hatte kein Milchgesicht mehr; schwarz vom Pulverdampf war es, und seine Linien zogen sich um die Mindwinkel und unter den Augen hin. Er hatte auch keine ängstlichen Augen mehr; ein hartes, frohes Leuchten war jetzt darin, dieses Leuchten, das je und je in deutschen Soldatenaugen stand, wenn heimtückische Feinde dem Vaterland Macht und Ehre rauben wollten . . .

     „Helmers,“ sagte der Kompagniechef zum jüngsten Leutnant, „setzen Sie sich in ein Auto und kontrollieren Sie die vorderste Postenkette.“

     Das Automobil ratterte unter ihm, der Chauffeur straffte die Hände um das Lenkrad. Steif zurückgelehnt saß Leutnant Helmers neben ihm. Sie fuhren über das bucklige Gelände; die Maschine sprang und schlingerte, in allen Fugen krachend. Der jüngste Leutnant spähte scharf nach allen Seiten. Weit dehnte sich das Feld. Ganz fern dröhnte Kanonendonner. Sonst war es friedsam über dem Land.

     Die Spannkraft des Leutnants ließ ein wenig nach; er schloß halb die Augen und dachte an seiine Lieben daheim. An die greise Mutter, wie sie rubelos von Zimmer zu Zimmer schritt und bei allem, was sie tat, für ihren Einzigen betete . . . Sie war eine kleine ruhige Frau mit einem schwarzen Spitzenschleier über dem schlohweißen Haar. Der Vater schlief lange den ewigen Schlaf; bei Vionville hatte ihn eine feindliche Kugel getroffen, nie hatte er die Folgen der schweren Verwundung völlig verwinden können . . . Leutnant Helmers feufzte und riß sich aus seinen Träumereien . . . .

     Da drüben . . . Raschelten nicht die Büsche vor dem schwarzen Wald, der sich wie ein schnurgerader Strich quer über die Äcker zog? Der Chauffeur ließ die Maschine stehen. Nacht. Der große Friede überm Gelände.

     Knatternd sprang das Auto weiter. Wieder kamen die Träume, die sehnsüchtigen Flüge in die Heimat, die weit hinter ihm lag, dort, wo die dunkeln Kiefernwälder der Mark rauschten . .

     Annelies mit dem blonden Haar . . Sie hatte die Arme um seinen Nacken geschlungen, die schlanken weißen Arme, als er Abschied von ihr genommen, und hatte ihm fest in die Augen geblickt, und in ihren blauen deutschen Augen war das Leuchten aufgeflammt, dieses harte, frohe Leuchten tapferer Herzen . . Da hatte er sie zum letztenmal geküßt und hatte gesagt: „Seit drei Tagen bist Du mein Weib, Annelies. Und wirst’s in alle Ewigkeit sein, ob ich wiederkehre oder den Tod fürs Vaterland sterbe. In alle Ewigkeit, Annelies!“

     „In alle Ewigkeit Kurt!“ hatte sie in weicher Hingebung erwidert und zugleich in stählerner Entschlossenheit.

     Jetzt saß sie wohl daheim am großen Erkerfenster und blickte in ernstem Sinnen um ihren Mann hinauf auf den großen See, den die Kieferwälder einrahmten.

     Der Chauffeur riß den Wagen zurück. Ein weißes Wölkchen flatterte vor ihnen auf, ein feiner zischender Knall . . . Surrend flog eine Kugel zwischen den beiden Männern in die Sitzlehne. .

     Knirschend griffen die Bremsen in die Räder, ein letztes Zucken rann durch die große Maschine,


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1915. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1915, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1915_029.png&oldid=- (Version vom 4.6.2019)