Seite:Hansson Oberländer und die Fliegenden.djvu/7

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hält sich nie auf, außer wenn in der Rotunde im Hofgarten die Blechmusik spielt, der er andächtig zu lauschen pflegt. Ist es aber sehr schön, so studirt er gern die Blutbuchen im englischen Garten. Man sieht ihn stets allein, außer an Sonntagnachmittagen, wo er mit seiner Gattin, Sohn und Hausgenossin denselben Spaziergang macht. Im Winter in dem blauen Havelock und Schlapphut, im Sommer in kakaofarbigem hohen Strohhut und Jägerrock, gehört sein Aeußeres eher einer vorbeigegangenen Zeit und früheren Mode an, so daß Einem, wenn man das Porträt des seligen Caspar Braun gesehen, der Gedanke kommen kann, dieser sei es, der hier in dem München seiner Tage lustwandelte. Es ist aber der erste und berühmteste Zeichner der „Fliegenden“: Adam Adolf Oberländer.

Seine Porträts geben von ihm kein ähnliches Bild. Da ist eine Photographie aus den letzten Jahren mit der gramgefurchten Stirn und dem bedrückten Familienvaterblick, während Oberländer trotz seiner 58 Jahre noch die roten Wangen und das volle, aufrecht um seinen runden Kopf herumstehende, braune gesunde Haar eines wohlgenährten Dreißigers hat. Da ist das Porträt von Lenbach mit dem tiefen Augurenblick und der zugeknöpften eleganten Haltung eines Modemalers, – und auf Eleganz legt Oberländer vielleicht nur dann Gewicht, wenn er in Kniehosen, Strümpfen und Frack, den Orden am Halse, zu den Einladungen des Prinz-Regenten erscheint. Eine bildliche Darstellung von ihm ist garnicht so leicht, denn seine besondere Freude ist es, die Leute zu vexiren.

Wie sein Vorgänger Braun ist er ein zu Hause sitzender Mensch. Vormittags geht er nie aus, außer wenn er nicht zu Hause ist, wobei er aber meistens den Braun- und Schneiderstock nicht verläßt. Malt er, so bedarf er der Inspiration und ist gänzlich unzugänglich, wo dann Gattin, Dienstmädchen, Kinder etc. seine Tür verteidigen müssen. Und er malt gern: z. B. den verlorenen Sohn unter den Schweinen, den heiligen Petrus zwischen Azaleen, einige Engelbübchen mit geschwungenen Schlüsseln vertreibend, den auf dem Rücken liegenden Löwen, um den vier nackte Babys herumspielen, Stillleben in der Waschküche u. dergl. Jedes Bild stellt er gern ein paar Male her.

Am Nachmittag, während er seinen Kaffee trinkt, kann man auch mit Oberländer Verlagsgeschäfte besprechen. Dann aber legt er sich alsbald auf sein Sopha, das Münchener Spuckbecken neben sich, zum Schlafen, – am Abend liegt er gern ungestört in der Dämmerung in Meditationen.

Ich habe solche Spuckbecken nie anderswo gesehen. Sie sind schön gedrechselt, eine spiralförmige Säule, fast von der Höhe eines Tisches, die eine Schale trägt, auf der ein Deckel ruht. Ich wußte lange nicht, welchem Zwecke dies Gerät diente, vor dem ich gewöhnlich eingeladen wurde, Platz zu nehmen. Eines Tages, als mich Oberländer mehr als gewöhnlich mit seinem Benehmen nach großen Mustern ärgerte, stieß ich das Ding um, und da kam der Inhalt zum Vorschein.

Empfohlene Zitierweise:
Ola Hansson: Oberländer und die „Fliegenden“. S. Schottlaender, Breslau 1904, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hansson_Oberl%C3%A4nder_und_die_Fliegenden.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)