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zu Brévière führte, dessen Schüler er jetzt wurde. Meister und Lehrling wurden bald Freunde; und Brévière schickte sogar später seinen eigenen Sohn zu Braun nach München in die Lehre. Braun war Ende 1839 dorthin zurückgekehrt, wo er zunächst eine xylographische Anstalt gründete.

Zu dieser Zeit, schreibt der Biograph Brauns im „Daheim“, war ein allgemeiner Stillstand im politischen Leben über ganz Deutschland eingetreten; es herrschte Teilnahmlosigkeit für alle öffentlichen Angelegenheiten; und eine allmächtige Polizei wachte darüber, daß es nicht anders werden würde. In München, der damaligen Sammelstelle der deutschen Künstler, wurde der Drang nach Betätigung naturgemäß auf das künstlerische Gebiet gelenkt; und die zwei Künstlergesellschaften „Zum Stubenvoll“ und die „Liedertafel“ auf der Isarinsel, von welchen Braun ein gern gesehenes Mitglied war, bezeichneten die Mittelpunkte dieser Bestrebungen. Die Illustrationen, womit Braun das Programm der „Liedertafel“-Aufführungen auszustatten pflegte, führten ihn auf den Gedanken, öfters und in zwangloser Weise dergleichen „Fliegende Blätter“ in die Winde zu werfen; besonders ein solcher Holzschnitt, den er nach der Rückkehr von einer Reise nach Leipzig 1844 für die Liedertafel gemacht, erweckte großes Aufsehen und allgemeinen Beifall. Er associirte sich jetzt mit seinem Leipziger Freunde Friedrich Schneider, der sich als Jugendschriftsteller bekannt gemacht und eben in einer Regensburger Buchhandlung angestellt gewesen. Die probeweise herausgegebene Nummer hatte einen riesigen Erfolg; nach acht Tagen folgte eine zweite; und die „Fliegenden“ waren da.

„Die lieben Münchener,“ heißt es im Aufsatz der „Allg. Zeit.“, „verwußten sich kaum, sie lachten wie die Kinder und hatten nur eine Angst: daß wegen Mangels an Stoff der Spaß eines Tages vertrocknet sei. Aber es kam anders. Der Stoff strömte von allen Seiten zu und wuchs der Redaktion beinahe über den Kopf“. Der Censor freilich war weniger erbaut von dem neuen Unternehmen. „Er war am meisten außer sich,“ schreibt Förster; „auch schien’s ihm eine gefährliche Neuerung, vielleicht gar eine Erfindung schlimmer Demagogen“; zuletzt „tröstete er sich aber damit, daß, wenn er’s nicht verstehe, wohl auch die anderen Leute es nicht verständen, und ließ die Nummer passiren“. Die anderen Leute scheinen es aber ganz vortrefflich verstanden zu haben, denn die Popularität der „Fliegenden“ war gewaltig.

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Die Unternehmungen Brauns bildeten in der Tat nicht nur den Kern einer selbstständigen süddeutschen Holzschneiderschule und der in die weitesten Schichten hinausgetragenen Kunst, sie sind auch ein Spiegelbild und ein Ferment in allgemein kultureller, politischer und socialer Hinsicht. Der Begründer der „Fliegenden“ hatte während seiner verschiedenen Reisen durch Deutschland Gelegenheit gehabt, die allerorts herrschenden Mißstände

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Ola Hansson: Oberländer und die „Fliegenden“. S. Schottlaender, Breslau 1904, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hansson_Oberl%C3%A4nder_und_die_Fliegenden.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)