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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s

überlegend, spielen die gleichstarken Gegner friedlichen Krieg.

Der Holzwurm, nicht mehr beobachtet, bohrt emsig weiter. Eine gestorbene Motte fällt von der Ampel herab, gerade in die Mündung der Flasche; niemand bemerkt es.

Endlich macht der Grauhaarige einen Ansatz, etwas Frohsinn in die bange Stille zu reden: „Ja, ja, der olle Rollemann,“ brummt er, mühsam grinsend und kramt damit ein längst vergangenes Gespräch wieder hervor, „er war kein anständiger Mensch, aber ein spaßhafter Kauz – Schach!“

Der Stadtrat, ohne etwas zu erwidern, schiebt einen Bauer vor und gerät abermals ins Kopfnicken. „Schach!“

Die Bürste entwickelt einen glücklichen Trick und – „Schach!“ – fährt fort zu plaudern: „Wenn ich nicht irre, lebte damals noch Daja – Schach und Gardez! Nein, der ist vom Springer gedeckt. Sie war solch ein liebes Mädel.“

„Oh,“ bricht des Stadtrats hohe Stimme ein, „das Bravste, das Klügste, das Beste von meinen Kindern, das einzige, das mir mit Freude vergalt.“

Onkel Fußball merkt wohl, wie sein Partner mit dem Finger über die stumpfen Augen wischt. „Und drollig in ihren Einfällen. Schach! Gib die Partie auf: es bleiben dir höchstens drei Züge. Ich besinne mich noch, sie hatte ein Kaninchen, das sie Verstorbenheit nannte. – Ein närrisches Mädel.“


Empfohlene Zitierweise:
Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)